20 Pferde sichern die Versorgung der Menschen auf Juist
Artikel vom 07.11.2022

Möchte, dass ihre Pferde genug Platz und Kontakt zu ihren Kollegen im Stall haben: Nadja Tschovikov, Geschäftsführerin der Huf Spedition auf Juist. Bild: Christin Hufer
Ein Leben ohne die Huf-Pferde auf Juist würde die Versorgung auf der autofreien Insel erheblich erschweren: Die Tiere sind für Logistik und als Taxen im Einsatz. Und das ist weitweit (fast) einzigartig.
Wenn Nadja Tschovikov, Geschäftsführerin der Huf-Spedition auf Juist, über ihre Pferde spricht, dann spricht sie von ihren Kollegen. Denn die 20 Pferde der Spedition und des dazugehörigen Taxiunternehmens sind vollwertige Arbeitskräfte auf der Insel, von ihnen hängt die Versorgung des gesamten Ortes ab. Damit ist Juist eine Besonderheit: Zusammen mit der ostfriesischen Insel Baltrum und Mackinac Island im US-Bundesstaat Michigan gehört sie zu den weltweit nur drei Inseln, deren logistische Versorgung noch durch Arbeitspferde gesichert ist.
Die 20 Pferde auf Juist zu versorgen ist keine einfache Aufgabe. Die Betreiber der Huf-Spedition beziehen Heu von Landwirten vom Festland. Dieses wird per Frachter nach Juist gebracht. Allerdings nur in Mengen, die schnell verbraucht werden können, weil das Heu nicht lange auf dem Hof gelagert werden kann. Der Pferdemist aus dem Stall muss zudem auch zurück auf das Festland gebracht werden, weil es auf Juist keine landwirtschaftlichen Felder gibt, wo dieser als Dünger verwendet werden würde.
Alle zwei Wochen kommt ein Hofschmied auf die Insel, um die Pferde zu beschlagen. Auch ein Tierarzt kommt in regelmäßigen Abständen nach Juist, um die Pferde zu versorgen. Die Huf-Spedition richtet in dieser Zeit dann eine offene Sprechstunde für Tierhalter von der Insel ein. Denn einen Insel-Tierarzt gibt es nicht. Diese können dann mit ihren Hunden und Katzen und anderen Haustieren zum Hof der Spedition kommen.
Zur Spedition gehören noch etwa zehn weitere Pferde, die aktuell bei Pferdewirten aus Ostfriesland verteilt untergebracht sind. So beläuft sich die Anzahl der Huf-Pferde auf rund 30.
Die Entstehung
Die Anfänge der Huf-Spedition liegen noch gar nicht so weit zurück: Nachdem Gerd Hyken, der jahrzehntelang einen Fuhrbetrieb für Kutschfahrten und eine Reiterei auf Juist betrieben hatte, 2015 verstorben war, wurde auch sein Fuhrbetrieb aufgelöst. Doch die Insulaner mussten nicht lange warten. Denn auf dem Gelände von Hykens Hof siedelte sich die neugegründete Huf-Spedition noch im gleichen Jahr an. Zunächst konzentrierte sich der Betrieb auf das Speditionsdasein, transportiere Baustoffe und belieferte Inselmärkte, Hotels und Restaurants mit Waren.
Dabei sollte es aber nicht bleiben. Nur ein Jahr später ist Huf mit den Kutsch-Taxen an den Start gegangen. Mit der Kutsche holen immer zwei Pferde, geführt von ihrem Fahrer, Fluggäste von Flugplatz ab. Sie bringen die Gäste in den rund drei Kilometer entfernten Inselkern ihren Unterkünften. Wenn die Gäste wieder abreisen, werden sie von den Kutschen abgeholt und wieder zum Inselflieger gebracht. „In der Saison ist das unsere Hauptarbeit“, sagt Tschovikov.
Aufgabenverteilung nach Saison
Im Winter verändert sich das Aufgabengebiet. Denn wenn auf Juist die Bausaison beginnt, wird die Kraft der Pferde gebraucht. Dann besteht ihre Hauptarbeit darin, Baustoffe zu den Baustellen zu transportieren. So unterschiedlich diese Aufgabenfelder sind, so unterschiedlich seien auch die Pferde, die dafür zuständig sind, erklärt die Geschäftsführerin. So gehören die Taxi-Pferde zur Gattung der Warmblüter mit langen, sportlichen Beinen. „Sie müssen zügiger laufen können, weil die Strecke zum Flugplatz zum größten Teil im Trab gelaufen wird“, sagt sie. Die Speditionspferde hingegen sind Kaltblüter mit kürzeren, aber kräftigeren Beinen. Tschovikov: „Die sind zwar etwas langsamer, können aber mehr schleppen.“
Moderner Stall
Untergebracht sind die 20 Pferde in einem großen, modernen Stall auf dem Gelände der Spedition. Erst 2019 ist der Bau dafür fertiggestellt worden. Dabei habe das Unternehmen darauf geachtet, dass die Tiere viel Platz hätten und nicht isoliert voneinander stehen würden. „Pferde sind sehr soziale Tiere. Die brauchen den Kontakt zu ihren Artgenossen“, sagt Tschivikov. Deshalb seien die Boxen bewusst weitläufig und offen gestaltet, sodass die Pferde sich sehen und miteinander interagieren können. Auch die Decke des Stalls ist bewusst hoch und mit Fenstern versehen. So soll zum einen genug Raum für Luftzirkulation bleiben und zum anderen sollen die Pferde die natürlichen Luftverhältnisse erleben „und nicht einfach in einem dunklen Raum stehen“.
Für Huf arbeiten die Pferde sechs Tage die Woche, in einer Schicht von circa acht Stunden am Tag. Dass Urlauber fragen, ob das Nutzen von Pferde als Arbeitskräfte nicht Quälerei sei, komme häufig vor, erklärt Tschovikov. Aber sie ist froh darüber, über das Thema aufklären zu können. Tschovikov: „Ich sage dann immer, dass bei den Pferden wie bei uns Menschen ist. Wir wollen ja auch eine sinnvolle Tätigkeit machen und nicht den ganzen Tag in einem kleinen, zehn Quadratmeter-Zimmer sitzen.“
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