Vorlesehunger stillen lohnt sich
Artikel vom 21.11.2022

Liane Oelrichs und Jörg Oelrichs in der Kinderbuch-Ecke in ihrer Buchhandlung Prien an der Posener Straße. Bild: Karoline Möller
Zum 19. Mal rufen „Die Zeit“, Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung zum bundesweiten Vorlesetag auf. Branchen-Experten aus Wilhelmshaven verraten, welche Wirkung Vorlesen auf das Leben von Kindern und Eltern hat.
„Kinder brauchen Bücher“ – die Girlande mit diesem Satz fällt in der Buchhandlung Prien beim Eintreten schnell ins Auge. Er lässt sich wohl auch übertragen, hin zu: „Kinder brauchen Vorlesen“. Am bundesweiten Vorlesetag, zu dem „Die Zeit“, „Stiftung Lesen“ und „Deutsche Bahn Stiftung“ für heute zum 19. Mal einladen, soll genau daran erinnert werden.
Positive Auswirkungen auf Kindesentwicklung
Zu dem Aktionstag gehört der Vorlesemonitor. Die Umfrage zeigt, dass immer weniger vorgelesen wird. Dabei sei Vorlesen „durch nichts zu ersetzen“, zeigt sich Jörg Oelrichs überzeugt. Deswegen lautet sein Appell: „Lest Kindern vor!“ Seit fast drei Jahrzehnten setzen sich Jörg und Liane Oelrichs, Inhaber der Buchhandlung Prien, für die Leseförderung im Stadtgebiet ein. Auch heute wird er in einer Grundschule vorlesen. „Es ist die Vorstufe zum Selberlesen“, sagt er.
Da hören die positiven Auswirkungen jedoch nicht auf: (Vor-)Lesen bilde wichtige Grundvoraussetzungen für das spätere Leben. Fantasie werde angeregt, Neugierde und Sprachvermögen entwickelt, Fähigkeit zum Problemlösen angeregt. Zudem bedeute Vorlesen immer Nähe, gemeinsame Zeit. „Es ist eine tolle Möglichkeit, um miteinander ins Erzählen zu kommen“, bestätigt auch Jan-Helge Ralle, Leiter der Stadtbibliothek Wilhelmshaven. Möchte in einem Buch etwa eine Kuh durch einen Zaun, „kann man die Kinder fragen ,Wie würdet ihr das an ihrer Stelle machen?’“, nennt er ein Beispiel.
Auch multimediale Hilfsmittel mit Effekt
Als Kind habe er schnell und gerne selber gelesen, aber Vorlesen sei immer schöner gewesen, „wie ein persönliches Hörbuch“, beschreibt er und lacht. Auch mit solchen multimedialen Mitteln gebe es den Vorlese-Effekt, allerdings ohne Nähe. Inzwischen gebe es zudem bereits digitale Angebote an Kinderbüchern, der Erfahrung des Bibliotheksleiters nach jedoch „wollen Kinder meist noch Bücher in der Hand haben.“ Und das nicht zu knapp: „Kinder haben einen riesigen Lesehunger“, berichtet Ralle.
Eine Beobachtung, die auch Liane und Jörg Oelrichs machen. „Das Interesse ist da. Kinder kommen sehr gerne in unseren Laden, wissen dann schon genau, wo sie gucken wollen“, erzählt sie und lacht. „Es ist Quatsch, wenn gesagt wird, dass Kinder nicht lesen wollen“, ergänzt er.
Viele kostenfreie Angebote im Stadtgebiet
Ähnliches gelte, wenn Bücherpreise als Grund fürs Nicht-Lesen genannt werden. In Wilhelmshaven gebe es viele kostenfreie Möglichkeiten, an Bücher zu kommen. „Da wären zum Beispiel die Dorfbücherei Sengwarden, die katholische Bücherei Christus König, die Familienzentren und natürlich die Stadtbibliothek“, so Jörg Oelrichs.
Kinder können das Angebot der Kinder- und Jugendbücherei kostenfrei nutzen. Dabei haben sie die Wahl aus 16 454 Medien, davon 12 735 Bücher (3634 für die Kleineren, etwa Bilderbücher, und 9101 Belletristik, u.a. Vorlesebücher), erklärt Ralle. „Die einzige Hürde ist dann, dass man herkommen und sich anmelden muss.“
Am Vorlesetag beteiligt sich erneut auch Wilhelmshaven Oberbürgermeister Carsten Feist. Dazu wird heute auf seiner Facebook-Seite ein Vorlesevideo veröffentlicht. Er liest dieses Mal nicht alleine, unterstützt wird er von Alina Kozhyna. Beide lesen aus dem Kinderbuch „Oh, wie schön ist Panama“ von Janosch.
Feist liest auf Deutsch vor, Kozhyna auf Ukrainisch. „Da sich mittlerweile rund 1000 Geflüchtete aus der Ukraine in Wilhelmshaven befinden, werden wir in diesem Jahr den Vorlesetag mehrsprachig begehen“, erklärt Stadtsprecherin Julia Muth.
„Die Zeit“, „Stiftung Lesen“ und „Deutsche Bahn Stiftung“ laden bereits zum 19. Mal zum bundesweiten Vorlesetag ein. Rund 750 000 Vorlesende und Zuhörer sind laut Stiftung Lesen für dieses Jahr zu „Deutschlands größtem Vorlesefestival“ angemeldet. Vorgelesen wird etwa in Schulen oder Kitas. Zudem kann bei digitalen Vorlesetag-Aktionen reingeschaut werden:
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