Mutter will Tochter stillen – EWE verweigert Zutritt

Artikel vom 01.12.2022

Chelsy Haß

Für Carolina Börries ist es völlig unverständlich, warum sie ihre Tochter Johanna als Kundin der EWE im Servicecenter in Wechloy nicht stillen durfte. Bild: Torsten von Reeken

Aufgrund des hohen Andrangs und einer schwierigen Personalsituation müssen EWE-Kunden derzeit vor den Servicecentern warten. So auch eine junge Oldenburger Mutter, die darum bat, ihre Tochter stillen zu dürfen.

Dass es immer noch Orte gibt, an denen es Frauen verwehrt wird, ihre Kinder zu stillen, hätte Carolina Börries nicht für möglich gehalten. Und doch ist ihr genau das in dieser Woche passiert. Die 32-jährige Oldenburgerin ist immer noch wütend und entsetzt.

Für eine Änderung in ihrem EWE-Vertrag sei sie am Mittwochmittag zum Servicecenter nach Wechloy gefahren. „Zuvor hatte ich es sowohl per Post als auch telefonisch versucht. Weil das aber nicht geklappt hat, wollte ich die Sache vor Ort zu klären“, sagt Börries.

Sicherheitspersonal

Vor dem EWE-Shop hätten bereits einige Kunden gewartet, als sie mit dem Kinderwagen, in dem ihre vier Monate alte Tochter Johanna lag, ankam. Der Wartebereich des Servicecenters war leer. Ein Ordner sorgte vor der Tür dafür, dass die Kunden draußen warteten. An sich kein Problem. Doch als ihre Tochter unruhig wurde, weil sie Hunger hatte, fragte die junge Mutter die wartenden Kunden, ob sie reingehen dürfe, um ihre Tochter zu stillen. „Ich wollte mich nicht vordrängeln“, erklärt sie.

Die Kunden seien einverstanden gewesen. Nicht so die Mitarbeiter der EWE. „Mir wurde gesagt, dass niemand reingelassen werden darf“, sagt die Oldenburgerin. Sie habe erklärt, dass sie lediglich ihre Tochter stillen wolle. Doch das sei auf taube Ohren gestoßen. „Die Berater der EWE haben gesagt, dass sie ihre Vorgaben hätten und waren völlig verständnislos“, schildert Börries die Situation. Auch als der Kunde, der gerade in der Beratung war, auf die Sofas im Wartebereich zeigte und fragte, ob sie sich dort hinsetzen dürfe, hätten die Mitarbeiter ihre Meinung nicht geändert. Schließlich sei sie gebeten worden zu gehen.

Die Situation sei abstrus gewesen. „Ich hatte Tränen in den Augen, weil ich das einfach nicht glauben konnte. Geht es denn nur noch darum, stumpf die Regeln zu befolgen?“, fragt sie. Die Oldenburgerin ist sich sicher, dass die Situation anders ausgegangen wäre, wenn in dem EWE-Shop eine Frau oder ein junger Vater gearbeitet hätte. „In dem Moment habe ich mich wirklich diskriminiert gefühlt“, sagt Börries. Sie erwarte eine Entschuldigung und würde sich wünschen, dass die EWE sich als offener, „stillfreundlicher Ort“ zeigen würde.

Auch andere Kunden der EWE haben unserer Redaktion berichtet, dass neuerdings Sicherheitspersonal vor den Servicecentern dafür sorge, dass alle Kunden draußen warten. Wie die EWE auf Nachfrage erklärt, gebe es aufgrund der Lage am Energiemarkt einen hohen Beratungsbedarf. „Bei der Koordinierung der einzelnen Beratungen in den Shops hilft das Sicherheitspersonal“, teilt ein Sprecher mit.

EWE entschuldigt sich

Zudem gebe es vor allem im Kundencenter Wechloy einen hohen Krankheitsstand, weshalb man mit einer Notbesetzung arbeite und sich darauf verständigt habe, die Kunden vor dem Shop warten zu lassen. Hinzu komme, dass die Beratung in den vergangenen Wochen durch einen hohen Geräuschpegel erschwert worden sei.

Im Fall von Carolina Börries habe man jedoch einen Fehler gemacht: „Wir entschuldigen uns in aller Form. Selbstverständlich hätten wir ermöglichen müssen, dass die Mutter in unseren Räumen ihr Kind stillt.“ Man werde nun klare Regelungen intern kommunizieren, um dies auch konsequent umzusetzen. Zudem werde sich die EWE an der Aktion „Stillfreundliche Orte“ in Oldenburg beteiligen und die drei Shops entsprechend kennzeichnen.

STILLFREUNDLICHE ORTE

Bereits vor einigen Jahren haben Hebammen aus Oldenburg eine Aktion initiiert, an der sich viele Cafés, Restaurants und Geschäfte in Oldenburg beteiligt haben. Dazu zogen die Hebammen los und fragten in Geschäften nach, ob sie Müttern ein ruhiges Plätzen zum Füttern des Nachwuchses anbieten. Rund 60 Geschäfte hatten sich im Jahr 2018 der Aktion angeschlossen.

Dabei weisen Piktogramm-Aufkleber an den Türen darauf hin, dass es sich um „stillfreundliche Orte“ handelt. Dort sind Mütter, die ihre Kinder stillen wollen, willkommen


 

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