Warum Ansgar es nicht lassen kann, zu helfen
Artikel vom 11.01.2023

Auch wenn man es nicht vermutet: Alle Personen, die bei diesem Bild mitgewirkt haben, hatten Spaß und sind freiwillig darauf zu sehen (von links): Willy Bücher, Karl Gruben und Ansgar Frommeyer. Bild: Pia Miranda
Der ehemalige Spiekerooger Ansgar Frommeyer sammelt am Wochenende Spenden auf der Insel für die Ukraine. Denn er ist nicht nur Netzwerker und Gründer des Rolling Hospitals, sondern auch mit Leib und Seele Helfer.
Es ist morgens, kurz nach sieben. Auf den Straßen ist wenig los, nur vereinzelnd fahren Autos durch den Regen, dunkel ist es sowieso – ein ganz normaler Morgen in Ostfriesland. Beim Fährenanleger in Neuharlingersiel herrscht aber schon beschäftigtes Treiben. Zahlreiche Scheinwerfer leuchten in die Nacht, spenden Licht, damit die 7.45-Uhr-Fähre pünktlich beladen und abfahrbereit ist.
Mittendrin und gut gelaunt ist auch Ansgar Frommeyer. Zwar hatte der gebürtige Osnabrücker mal zeitweise auf Spiekeroog gelebt, der Grund für seine Reise ist jedoch nicht touristischer Natur: „Unser Rolling Hospital sammelt als Netzwerker Spenden auf Wunsch des ukrainischen Gesundheitsministers und einer Hilfsorganisation. Die sagen uns, was sie brauchen und wir versuchen das aufzutreiben. Dafür geht es am Wochenende nach Spiekeroog“, erklärt er, während er mit Händen und Füßen beim Verladen des mitgebrachten LKW samt zusätzliche Anhänger hilft. In den kommenden Tagen sollen Einrichtungen von acht Hotelzimmern, drei Appartements, eine große Gastro-Küche und was sonst noch zusammenkommt von der Insel ans Festland und schlussendlich in die Ukraine gebracht werden. Bevor es aber von der ostfriesischen Halbinsel runter geht, wird noch in Sanderbusch vorbeigeschaut und medizinisches Equipment abgeholt.
Das Rolling Hospital
Die eigentliche Aufgabe des Rolling Hospitals ist aber eine andere, wie Initiator und Gründer Frommeyer erklärt: „Die Grundidee ist ein mobiles Krankenhaus, das fest auf 15 Lkw und 15 Anhänger montiert ist und so in den entlegensten Regionen der Welt klinische Hilfe leisten zu können.“ Die Idee dazu kam dem heute 46-Jährigen vor 14 Jahren: „Wegen meiner milden MS-Erkrankung musste ich bei der Planung einer Weltreise immer die medizinische Versorgung im Kopf haben – vor allem für ländliche Regionen. Da nicht nur mir, sondern auch der Bevölkerung der Zugang zu einer ordentlichen medizinischen Versorgung gefehlt hat, kam ich irgendwie auf die Idee eines mobiles Krankenhauses.“ Die Weltreise hat Frommeyer nie gemacht, die Idee ist jedoch geblieben. Bisher aber nur theoretisch. Denn mit einem Preis von etwa 7,8 Millionen Euro ist so ein Projekt teuer. Jahrelang hat Frommeyer das Projekt nebenberuflich betreut, hat Gespräche geführt, ein Netzwerk aufgebaut. Seit 2020 kümmert er sich ausschließlich darum, finanziert es mit seinem Geld. „Warum? Ich bin in seiner gut situierten Familie groß geworden, in der Solidarität Groß geschrieben wurde. Wenn es mir sehr gut geht, dann ist es geboten, dafür zu sorgen, dass es anderen auch gut geht.“
Unbürokratische Hilfe
Helfen – das am besten sofort und unbürokratisch, so hat es Ansgar Frommeyer am liebsten. Er ist ein Typ, der Menschen kennt, ist laut und gesellig. Einer, der es vorzieht, schnell einen Anruf zu tätigen, um schneller zur Sache zu kommen. Einer, der sechs Wochen ins Ahrtal fährt, um mit anzupacken und die Kontakte in seinem Smartphone nutzt. Denn da seien unzählige Nummern von Konzernbossen, Geschäftsführer und Menschen mit Geld, Einfluss oder beidem drin gespeichert. Und natürlich, das ist sich Frommeyer bewusst, hilft es auch, dass er mit einigen von ihnen verwand ist. So stammen die Lkw für den Transport von Koch International Osnabrück – mit der Chefetage ist er familiär verbunden.
Alle Helfer sichtbar
Ein erster Konvoi in die Ukraine hat er kurz nach Kriegsbeginn schon organisiert, der jetzige ist für die fünfte oder sechste Kalenderwoche geplant. Mit dabei dann auch die Spenden aus Spiekeroog, Sanderbusch, Krankenhausbetten aus Düsseldorf und Nahrung, die hohe Tiere aus seinem Smartphone bereitgestellt hätten. Das Ziel ist Lemberg, wo zwei Kinderkliniken und ein örtliches Flüchtlingsheim auf die Dinge warten. Der Rest soll über andere und mit Kontakt zu den Klitschko-Brüdern weiter in den Osten und nach Kiew gebracht werden.
Bei diesem Artikel geht es Ansgar Frommeyer übrigens viel zu sehr um seine Person. Denn: „Es geht dabei nicht um mich“, beteuert er, weiß jedoch, dass er als Organisator im Vordergrund steht. Dennoch will er, dass auch die anderen an seiner Seite gesehen werden. Wie bei der Anfrage nach einem Porträt-Foto am Hafen in Neuharlingersiel morgens um etwa viertel vor acht: „Aber Willy muss auch mit drauf – Willy“, ruft er seinem LKW-Fahrer Willy Büscher aus Leer entgegen. Willy und er haben sich als Helfer im Ahrtal kennen gelernt, als sie für mehrere Wochen halfen, die Trümmer zu beseitigen. Willy klettert entspannt aus dem Fahrerhäuschen und gesellt sich zu seinem Freund. Kurz vor dem Auslösen der Kamera packt Frommeyer noch einen Fährenmitarbeiter: „Du kommst auch noch mit drauf.“ Die Proteste von Karl Gruben ersticken schnell im Keim, zu einnehmend ist die motivierte Art. Zwar ist dieser Hilfstransport kein Rolling Hospital, „aber das kommt noch“, ist sich Frommeyer sicher. Zufrieden ist er dennoch: „Wir helfen, und darauf kommt es an.“
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