Artikel vom 08.02.2023

Freudestrahlend und wohlauf in Marrakesch. Bild: Privat
Prolog
Letzter Tag der Reise - Ich saß völlig verzweifelt mit einem marokkanischen Taxifahrer, der überwiegend französisch sprach, in einem Großraum-Taxi und fuhr quer durch Marrakesch. Panik machte sich in mir breit. Tränen rannten mir die Wange herunter und ich dachte mir nur: “Ich bring dich um.“ Aber wie bin ich eigentlich in diese Situation gekommen? Fangen wir ganz von vorne an.
Wie ihr wisst, ging es am Donnerstag für mich los. Um 11:15 Uhr wurde ich abgeholt und es ging nach Köln zum Flughafen. Die Autobahn war frei und wir standen in keinem Stau. Zwischendurch noch einen Kaffee und eine Apfelschorle und weiter gings. Bis hierhin alles gut. Allerdings hatte ich etwas mit Übelkeit zu kämpfen, weil ich so aufgeregt war. Als wir am Flughafen ankamen, war ich noch guter Dinge. Schließlich lagen wir super in der Zeit. Wir waren gegen 15:30 Uhr am Flughafen und der Flug sollte um 18:20 Uhr gehen. Dann gab es die erste Info, dass der Flug sich verspäten würde. Alles klar, dann gibt es noch einen entspannten Kaffee. Außerdem habe ich noch Telefonate geführt, Instagram, TikTok und Whatsapp gecheckt und war immer noch guter Dinge. Der Flug sollte dank der Verspätung um 18:45 Uhr gehen. Dann ging es zur Sicherheitskontrolle. Ab da stieg die Aufregung und auch mein Stresslevel. Denn die Schlange war sehr lang und es verzögerte sich alles. Eine junge Frau in meinem Alter hatte zwei Tüten anstatt einer für Ihre Flüssigkeiten verwendet. Ein Riesendrama. Die Arme musste dann ihren Koffer wieder vom Band nehmen und Teile ihrer Kosmetikprodukte wegwerfen. Das tat selbst mir in der Seele weh. Jeder, der weiß, was gute Kosmetikprodukte kosten, fühlt wahrscheinlich mit. Und ab da war ich dann nervös. Auch ich hatte alles in 1-Liter Plastiktüten verpackt. An der Zahl waren es drei. Drei Tüten, eingeteilt in Flüssigkeiten, Kosmetik und Dinge die Frau so braucht. Allerdings eher aus praktischen Gründen damit nichts eingesaut wird. Ich habe mich daran gehalten, dass die 1-Liter an Flüssigkeit nicht überschritten werden, aber dennoch ist mir in dem Moment schlagartig bewusst geworden, dass ich damit nicht durchkommen werde. Aber mal abwarten. Ich war dran. Mein Herz schlug wie wild. Die Beamtin war ganz lieb, allerdings war ich ein „Schnuff“ zu langsam. Der Flughafen war brechend voll und durch die Verzögerungen an allen Ecken und Kanten war ernsthaft zu befürchten, dass einige ihre Flüge nicht kriegen. Auch ich war davon betroffen, allerdings wusste ich bis dahin noch nichts von meinem Glück.
Also Koffer, Jacke, Weste, Rucksack, Elektrogeräte und eben die drei 1-Liter-Tüten aufs Band. Und ich dachte okay, das war’s. Mir wird’s genauso ergehen wie dem Mädel vor mir. Aber nein. Dadurch, dass wir zu zweit waren und die andere Person statt einer 1-Liter eine 3-Liter Tüte mit hatte, mussten wir eh zu sehen wie die Sachen nun aufgeteilt werden und zum Glück hatte die dritte Tüte gar nicht interessiert. Glück gehabt! Alles klar. Weiter zum Körper-Scan. Hier war auch alles gut. Und dann stand ich da, alle bekamen ihre Koffer und ihre Sachen, nahmen sie vom Band und gingen weiter. Nur meine Sachen fehlten. Panik. Das ist so ein Moment, in dem einem in den Kopf schießt: Naja, vielleicht habe ich ja doch Waffen oder Drogen dabei von denen ich nichts weiß. Jeder kennt diesen Moment, da bin ich mir ziemlich sicher. Nach etwas warten kamen meine Sachen dann endlich. Unlieb kamen mir die Sachen entgegen. Mein Teddybär, den ich seitdem ich 12 Jahre alt bin überall mit hinnehme, hat gelitten. Ich hab’s ihm angesehen. Natürlich durfte ich die Sachen wieder in den Koffer räumen und zusehen, wie der Koffer wieder zugeht, und das alles mitten im Weg hinter der Sicherheitskontrolle, wo jeder lang kann. Entwürdigend war das, das kann ich euch sagen. Ich habe die mitleidigen Blicke bemerkt. Danke für gar nichts an der Stelle. Als ich alle meine Sachen dann wieder im Koffer hatte, ging es schnell weiter. Das Timing mit der Sicherheitskontrolle hat nicht hingehauen und wir waren spät dran. Jetzt ging es in eiligen Schritten zur Passkontrolle und wer jetzt dachte, ab jetzt läufts: Falsch gedacht. Vor uns standen schätzungsweise 70 weitere Menschen. Alle bereit einzuchecken und entweder nach London oder Marrakesh zu fliegen. Hinter uns wurde die Schlange länger und länger. Und ab da war ich happy, dass der Flug sich immer weiter verspätete. Nicht nur für mich, sondern für alle, denn an der Passkontrolle waren sage und schreibe zwei Beamte eingesetzt. (Ironie an) Das ist eine Menge, wenn man bedenkt, dass die Anzahl von zwei vollbesetzten Flugzeugen noch durch die Passkontrolle muss. (Ironie off) Die Nervosität stieg bei allen Beteiligten. Selbst der Holzklassen-Flug hat Holz gekostet. Mich hat die Tatsache beruhigt, dass ich nicht allein betroffen war. Meine beste Freundin schrieb mir schon, dass ich im Zweifelsfall auf dem Rückweg nach Oldenburg bei ihr vorbeikommen könnte, um einen Kaffee zu trinken. Denn die wohnt im Sauerland und das liegt auf dem Weg. Das war tatsächlich etwas tröstend.
Hier war noch alles okay mit meinem Koffer! Bild: privat
Nicht, dass zwei Beamten mit einem sehr langsamen Scan-Gerät für die Pässe eh schon etwas knapp bemessen sind für die Anzahl der Menschen. Nein, es kam sogar zum Supergau. Denn ein Passagier ist nicht durch die Passkontrolle gekommen. Stattdessen kamen drei Polizeibeamte und nahmen ihn mit. Dazu muss man allerdings wissen, dass seine Freundin durch die Kontrolle gekommen ist. Bevor es mit dieser Nebengeschichte allerdings weitergeht, war ich dran. Ich also mit meinem liebsten und drolligsten Blick den ich aufsetzen konnte zu dem Beamten hin. Pass abgegeben und gewartet. Tja, der liebste Blick hilft dir nichts, wenn der Beamte dich fragt, warum du nach Marrakesch fliegst. Und ich war mir ziemlich sicher, dass das kein Flirt-Versuch war, sondern sein bitterer ernst. Ich also wahrheitsgemäß geantwortet oder eher gestammelt. Ich möchte mir die Stadt und die Kultur anschauen. Der Polizeibeamte noch etwas den Bildschirm angeschaut und dann mit etwas zögern den Stempel in den Pass gehauen. Und dann sollte ich aber auch schnell gehen, hat er mir zu verstehen gegeben, schließlich warten da noch hunderte von Menschen.
ABER ich war durch! Ich hatte es bis hierhin geschafft. Ich war so erleichtert. Das Beste war, die Flüge hatten weiterhin Verspätung, so dass es wahrscheinlich alle durch die Passkontrolle schaffen würden, vorausgesetzt man wird nicht abgeführt, wie der Kollege vor mir. Dem bin ich im Übrigen dann nach der Passkontrolle wieder begegnet, allerdings natürlich nicht alleine, sondern weiterhin in Begleitung mit den drei Polizeibeamten. Sagen wir mal so, das war nicht zu übersehen. Er durfte sich aber noch von seiner Freundin verabschieden, dann wurde er endgültig abgeführt. Und seine Freundin, naja, die musste allein weiter. Auch eine Möglichkeit zu erfahren mit wem man es zutun hat.
Dann endlich ging es los. Ich erspare euch die weitere Wartezeit, weil wir dachten es geht los und dann war doch nichts. Ein einziges Auf-und-ab meines Stresslevels.
Ich im Flugzeug. Bester Platz, der Platz 22D. Schon mal mit RyanAir geflogen? Das ist ein Gang-Platz. Dieser Platz war auf der Höhe des Flügels. Hieß also Top-Aussicht, wie ihr euch vorstellen könnt. ABER es war dennoch der beste Platz, den ich mir hätte wünschen können, denn ich hatte tolle Sitznachbarn. Ein Pärchen aus der Nähe von Köln. Es war fantastisch, denn die beiden waren schon in Marrakesch und konnten mir somit alle möglichen Tipps geben wo man hingehen kann, wie man verhandelt und was ich auf keinen Fall als Frau machen sollte. Das war superspannend und hilfreich. Nachdem ich mir vielleicht ein zwei Sektchen auf Visacard gegönnt hatte, verging der Flug dann auch wie im Flug. Zum Glück. Denn ehrlich gesagt, war es einfach nur warm, eng und mein Körper mochte nicht mehr. Kurz bevor wir gelandet sind, fragte mich meine Sitznachbarin, ob ich den Gesundheitszettel ausgefüllt hatte, und ich dachte mir nur so: „Was für ein Ding? Shit“. Ich antwortete allerdings nur: „Nein, aber die werden mich ja nicht zurückschicken.“ Innerlich bin ich aber natürlich zehn Tode gestorben. Wie konnte mir sowas entgehen, wie dumm kann man sein, einfach nach Marokko zu wollen, ohne sich im Vorfeld zu informieren, was benötigt wird. Dann schoss mir ein weiterer Gedanke in den Kopf: „Was ist eigentlich, wenn die meinen Impfstatus sehen wollen? Ich habe meinen Impfausweis nicht mit.“ Natürlich nicht… Habe den seit Wochen, gar Monaten nicht gebraucht. Cool bleiben, hieß die Devise und Spoileralarm, der Plan ging auf. Wir landeten, stiegen aus, kamen in den Flughafen und 50 andere Menschen sowie meine Wenigkeit haben mit einem einzigen Stift den Gesundheitszettel ausgefüllt. Der Typ, der uns den geliehen hatte, hat uns diesen Stift ehrwürdig überlassen und sämtlichen Leuten damit den Hintern gerettet. Zettel abgegeben, weiter geht’s. Wieder zur Passkontrolle. Hier müsste ja nun alles entspannt sein, schließlich habe ich es bis hierhin geschafft. Die Schlange war natürlich wieder ellenlang, aber nun war ich dran. Ich war fast drin und dann: Der Beamte schaute sich meinen Pass genau an, scannte ihn ein und fing an mich auszufragen: Warum sind sie hier, woher kommen sie und was ist ihr Job. Bei der zweiten Frage dachte ich mir: “Häh, dass müsstest du doch sehen.“ Bei der dritten geriet ich allerdings wieder ins Stammeln. Was ist eigentlich mein Job? Und wie nennt man das im Englischen? Hilfe! Meine Begleitperson meinte Content Creator! Richtige Antwort, 100 Punkte. Ich durfte durch. Allerdings frag ich mich wirklich, was bei mir in der Akte steht…
Endlich angekommen Bild: Privat
Koffer wieder durch die Kontrolle und endlich war ich da! So richtig da. Vor dem Flughafen wartete unser Taxifahrer schon sehnsüchtig auf uns. Ich hatte kurz die Befürchtung, dass er nicht mehr da war, weil wir ca. eine Stunde zu spät in Marrakesch ankamen. Aber alles gut. Der Taxifahrer nahm meinen Koffer und begleitete uns zu seinem Taxi. Auf gings zum Riad. Was in der Medina von Marrakesch liegt. In der Neustadt sah noch alles flauschig aus, es war mildes Wetter und alles war toll beleuchtet. Meine Augen konnten gar nicht genug kriegen. Dann bogen wir ab, von der Neustadt in die Medina und ab da begann der Kulturschock. Es gab keine Verkehrsregeln, außer die, Rücksicht aufeinander zu nehmen. Ich habe Menschen zu Fuß, mit Fahrrad, mit Roller und vereinzelt mit Eseln gesehen. Das war fremd. Aber deshalb war ich ja da. Mitten in der Medina in irgendeiner Gasse hat uns der Taxifahrer dann rausgelassen. Der Hausbutler von dem Riad hat uns dann abgeholt und uns zu Fuß durch die Engen Gassen der Souks geführt. Ich hatte keine Zeit das zu realisieren. Im Riad selbst schliefen schon alle, sodass wir nichts sehen konnten. Das Einzige, was ich bemerkt habe, ist, dass es in Marokko keine genormten Treppenstufen gibt. Und somit bin ich fast die Treppenstufen hochgefallen. Im Zimmer angekommen. Ein weiterer Schock. Es ist ein Raum, in dem die Toilette und Dusche nicht vom restlichen Raum abgetrennt sind. Für Pärchen schon schwierig, für Menschen die sonst keine Privatsphäre miteinander teilen, noch schwieriger. Nachdem die Koffer geöffnet waren und wir uns passend dem Wetter angezogen hatten, sind wir raus und mussten erstmal was zu Essen auftreiben. Zum Glück gibt es in den Gassen überall so kleine Läden, die einem leckeres Fladenbrot mit Frischkäse und gewürztem Hack zubereiten. Erst hatte ich Bedenken wegen des Hygienestandards, diese waren nach dem ersten Biss allerdings vollkommen vergessen. Zumal ich Magen- und Darm-Tabletten mithatte. Dem Ganzen konnte also nichts mehr im Wege stehen. Ich war angekommen. Nachdem wir aufgegessen hatten, ging es zurück ins Riad. Ich hatte anfangs etwas Schwierigkeiten mit dem Schlafen, da die Umgebung und der Geruch anders ist, aber zum Glück hatte ich meinen Teddybären dabei. Der die restliche Reise nach anfänglicher Misshandlung gut überstanden hatte.
Abschließend zum ersten Teil ist zu sagen, dass ich mir das Jetset-Life doch etwas anders vorgestellt hatte. Liegt wohl daran, dass es in Filmen alles immer so toll aussieht.