„Ihr sollt Hass mit Liebe bekämpfen“
Artikel vom 13.03.2023

Christel Schwarz mit Mitgliedern der Gruppe „Sinti Swing“. Die Familie kommt jeden Jahrestag nach Zetel, um an das Schicksal der Vorfahren während der NS-Zeit zu erinnern.
„Nach ihrer Rückkehr aus dem Konzentrationslager war nichts mehr da – kein Wohnwagen mehr, kein Eigentum. Wer die Menschen waren, die sich letztlich an ihnen bereichert haben, weiß niemand.“ Christel Schwarz‘ Worte am Mittwochnachmittag, 8. März, sind mit Bedacht gewählt, sie formen knappe Umschreibungen aus Erinnerungen. Es sind Auszüge aus Erzählungen seiner Mutter Margot Schwarz (geb. Franz), die neben Anton Franz das KZ Auschwitz überlebte.
Vor genau 80 Jahren wurde morgens die Schaustellerfamilie Frank/Franz in Zetel verhaftet. Seit 1939 hatte die Sinti-Familie, bestehend aus Grete und Georg Frank nebst ihren sechs Kindern, in zwei Wohnwagen auf einer Hofstelle gelebt. Georg Frank und seine Tochter Margot wurden ebenfalls festgenommen und über den Sammelpunkt Bremer Schlachthof unweit des Hauptbahnhofs in sechs Tagen und Nächten in das KZ Auschwitz Birkenau deportiert. Später wurde auch der 16-jährige Anton Frank dorthin verschleppt. Der größe Teil der Familie starb an Mangelernährung, unbehandelten Krankheiten sowie infolge der Misshandlungen und Gewalttaten durch Wachmannschaften und SS-Ärzte.
Margot und Anton Franz mussten als Überlebende nach Kriegsende wieder neu anfangen. Sie bekamen keinerlei Entschädigung für das erlittene Unrecht, für die Anerkennung als Opfer des NS-Regimes mussten Sinti in Deutschland lange kämpfen. Der Glaube, so Christel Schwarz, habe es seiner Mutter Margot und seinem Onkel Anton ermöglicht, die Hölle Auschwitz zu überleben: „Meine Mutter sagte immer: ,Ihr sollt Hass mit Liebe bekämpfen.‘“ Für Christel Schwarz ist das Lebendighalten der Erinnerung an das, was vor 80 Jahren geschah, wesentlich: Jedes Jahr kommt er mit Familienmitgliedern zum Jahrestag der Deportation an die Gedenkstele an der Horster Straße in Zetel. „Wenn man hier vor den auf der Stele abgebildeten Familienmitgliedern sprechen muss, fällt es nicht leicht“, so der 74-Jährige.
Das Ensemble „Sinti Swing“ spielt zur Einleitung. Die nahezu leichtfüßige, folkloristische Musik bildet einen starken Kontrast zu den Gräueln, die Christel Schwarz aus den Erzählungen seiner Mutter an diesem Tag widergibt. „Wir müssen aufpassen, dass so etwas nie wieder passiert“, betont Christel Schwarz. Das vor allem in einer Zeit, in der der Hass auf Menschen anderer Kulturkreise durch politische Gruppierungen wieder verstärkt geschürt werde.
„Wir erinnern und wir gedenken“, stellte Jürgen Konrad (Grüne) in seiner Ansprache heraus. Gesellschaft könne nur gemeinsam etwas bewirken, und das unter Wahrung der Menschenrechte: „Lassen wir uns nicht spalten.“ Der demokratische Diskurs sei die Kraft, mit der sich Probleme lösen ließen. Christel Schwarz sprach der Zeteler Grünen-Fraktion einen großen Dank für ihren Einsatz um das Erinnern an das Schicksal der Sinti in Zetel aus.
Bei der anschließenden Zusammenkunft im Zeteler Mehrgenerationenhaus wurde der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Wilhelm Wilken, vom Freundeskreis der Sinti und Roma in Oldenburg zum Ehrenmitglied ernannt.
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