Warum nicht immer die Schulnoten ausschlaggebend sind
Artikel vom 12.05.2023

Kristjan Messing (Geschäftsführer Agentur für Arbeit Oldenburg-Wilhelmshaven, von links), Eric Janßen (Auszubildender Volksbank Jever), Stefan Claußen (Personalleiter Papier- und Kartonfabrik Varel), Florian Schönwetter (Hoteldirektor Atlantic Hotel Wilhelmshaven), Sarah Neumann (Personalmanagement Volksbank Jever), Stefan Bünting (Leiter Bereich Bildung IHK) und Michael Engelbrecht (Vorstandsvorsitzender Volksbank Jever und IHK-Vizepräsident) informierten zum aktuellen Ausbildungsmarkt. Bild:Annette Kellin
Es muss nach der Schule nicht immer gleich ein Studium sein. Warum auch eine Ausbildung ein erfolgreicher erster Schritt ins Berufsleben ist, darüber informierten jetzt verschiedene Experten.
Dass Abitur und Studium für eine erfolgreiche Karriere nicht zwingend nötig sind, dafür war die Gesprächsrunde über die Situation auf dem Ausbildungsmarkt in Wilhelmshaven und im Landkreis Friesland das beste Beispiel. Eingeladen hatten Michael Engelbrecht, Vorstandsvorsitzender der Volksbank Jever und Vizepräsident der Oldenburgischen Industrie- und Handelskammer (IHK), sowie Stefan Bünting, Leiter des Bereichs Bildung bei der IHK.
Ein erster Schritt
Engelbrecht, selber einst als Auszubildender bei der Volksbank angefangen, und Bünting, der seine Karriere mit einer Ausbildung zum Maschinenschlosser begann, warben gemeinsam mit Vertretern der Arbeitsagentur und verschiedener Unternehmen für einen Start ins Berufsleben direkt nach dem Schulabschluss. Dabei zählten Schulnoten weit weniger als viele befürchteten.
„Die Leistung kommt mit der Freude am Beruf“, erklärte Florian Schönwetter, Hoteldirektor des Atlantic Hotels Wilhelmshaven, der seine Karriere mit einer Ausbildung zum Koch begonnen hatte und mittlerweile auch internationale Erfahrungen gesammelt hat. Der Trend, nach einem mäßigen Abschlusszeugnis die Berufswahl hinauszuzögern und zunächst eine weitere schulische Bildung zu absolvieren, sei zunehmend, aber oft nicht zielführend. „Besser wäre es, den Schritt in eine Ausbildung zu wagen. Damit legt sich niemand für sein Leben lang fest, es ist nur ein erster Schritt, der eine Basis legt. Danach stehen den jungen Menschen eine Vielzahl von Möglichkeiten durch Weiterbildungen oder ein berufsbegleitendes Studium offen“, sagte Stefan Bünting.
Zu wenig Bewerber
Allein im Bereich der von der IHK betreuten 130 Berufe werden in Wilhelmshaven rund 700 freie Stellen angeboten. Auf 100 Stellen kommen also 79 Bewerberinnen und Bewerber. In Friesland sind es auf 100 freie Stellen 94 Bewerberinnen und Bewerber. Das berichtete Kristjan Messing, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Oldenburg-Wilhelmshaven. Engelbrecht hält die duale Ausbildung (drei bis vier praktische Tage in den Firmen, ein bis zwei Tage Unterricht in der Berufsschule) für ein Erfolgsmodell.
„Eine Ausbildung bedeutet zugleich auch eine extrem gute Begleitung, ganz anders als im Studium, wo man auf sich gestellt ist. Zudem sollte man nicht verkennen, dass es von Anfang an ein Einkommen gibt“, sagte Sarah Neumann, Personalleiterin der Volksbank. Für Stefan Claußen, Personalleiter bei der Papier- und Kartonfabrik Varel, zählt die enge Bindung zwischen den jungen Auszubildenden und den älteren Kollegen viel.
Ausbildung und Praktika
Schönwetter erklärte, dass die Ausbildung viel an Bedeutung gewonnen habe. „Auszubildende genießen mittlerweile die gleiche Wertschätzung wie das Führungspersonal. Schon lange sind Azubis keine billigen Arbeitskräfte mehr, im Gegenteil, wir sind uns sehr bewusst, dass die jungen Menschen das Kapital von morgen sind.“
Thema war auch, wie Betriebe und künftige Auszubildende zusammen kommen, wie junge Menschen den Platz finden, der zu ihnen passt. Idealerweise beginnt man die Suche rechtzeitig und hat dann Gelegenheit für Praktika. Alle waren sich einig, das sei der Königsweg.
„Durch Corona war aber vieles nicht möglich, das hat jetzt zunehmende Orientierungslosigkeit zur Folge“, erklärte Messing. Doch mittlerweile stehen den Schülern die Türen wieder offen. Es gibt unter anderem eine Praktikumswoche in den Sommerferien, die von der IHK organisiert wird, bei der die Jugendlichen Gelegenheit haben, an jedem Tag einen anderen Betrieb kennenzulernen.
Wer sich auf diese Art grob orientiert hat, der sollte dann nochmal ein längeres Praktikum in einem Betrieb absolvieren, der in die engere Auswahl kam. „Kein Praktikum ist verlorene Zeit. Selbst wenn jemand feststellt, dass genau das gar nichts für ihn oder sie ist, dann ist doch auch schon etwas gewonnen“, sagte Bünting.
Rolle der Unternehmen
Für ein erfolgreiches Bewerbungsverfahren müssen sich auch Betriebe zunehmend flexibel zeigen, das unterstrichen Sarah Neumann und Eric Janßen, Auszubildender der Volksbank. Ohne soziale Netzwerke, ohne Ausbildungsbörsen gehe nichts mehr. Dabei aber spielen die Auszubildenden selber eine wesentliche Rolle. „Wir können schließlich selber am besten den Kontakt schaffen und vermitteln, worauf es ankommt“, sagte Janßen.
Die IHK hat zudem eine Ausbildungskampagne „Jetzt #könnenlernen“ gestartet, bei der sich Unternehmen beteiligen können, Auskünfte darüber gibt es direkt bei der IHK.
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