Wie eine Dorfhelferin bei einem Ausfall den Haushalt übernimmt
Artikel vom 14.03.2023
Steht auch beruflich gerne am Herd: Dorfhelferin Anita Köver. Bild: Kerstin Schumann
Was tun, wenn Mama ausfällt? Dorfhelferinnen bieten ihre Hilfe an und übernehmen den Haushalt.
Sich in einem fremden Haushalt zurechtzufinden, das ist für Anita Köver kein Problem. Denn sie ist eine von zwei Dorfhelferinnen im Ammerland. Wenn die Frau im Haus ausfällt – wegen Krankheit, Unfall, Rehamaßnahmen, einer bevorstehenden Geburt oder aus anderen Gründen, ist sie zur Stelle. Der Einsatz dieser Fachkräfte wird von der Krankenkasse oder dem Rentenversicherungsträger bezahlt, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Seit 1980 hat die Bekhausenerin unzählige Familien im ländlichen Raum unterstützt. Angefragt wird sie bei Notfällen im Ammerland, aber auch darüber hinaus.
Anfangs habe sie im Landkreis Stade gearbeitet, erinnert sich die 64-Jährige, die selbst auf einem landwirtschaftlichen Hof im Ammerland groß geworden ist. „In der Region gibt es viele Obstbauern. Da habe ich zum Beispiel beim Sortieren von Äpfeln geholfen.“ Aber auch das Melken von Kühen und das Füttern von Kälbern ist für die tatkräftige Bekhausenerin kein Problem. Ihr Hauptaufgabengebiet sei aber der Haushalt, erklärt sie. „Kochen, backen, putzen, einkaufen, Gartenarbeit, Kinder zum Kindergarten oder der Schule bringen, Hausaufgabenbetreuung und noch viel mehr“, zählt sie auf. Manchmal seien auch behinderte oder pflegebedürftige Angehörige mitzubetreuen. „Ich ersetze die Mutter und ihre Aufgabenbereiche“, erklärt sie ihr Arbeitsfeld. In den Familien verbringt sie einige Stunden, manchmal auch einen ganzen Arbeitstag.
Ungeplante Einsätze
Nicht immer, wie beispielsweise vor einer geplanten Operation, lassen sich die Aufgaben in einem Vorgespräch genauer eingrenzen. „Manchmal werde ich auch ins kalte Wasser geworfen“, berichtet Anita Köver. „Dann frage ich den Vater oder die Kinder, schaue in die Schränke, um zu wissen, wo was steht und welche Vorräte noch da sind. Ich habe mich aber eigentlich immer gut zurechtgefunden.“ Eine Checkliste hilft beim Orientieren. Da geht es auch um Termine wie Müllabfuhr oder Arztbesuche, um Busverbindungen und anstehende Feste, aber auch um wichtige Telefonnummern und Details der Familiensituation sowie Gewohnheiten im Tagesablauf.
Freundschaftliche Kontakte
Seit einigen Jahren arbeitet Anita Köver als Teilzeitkraft und betreut im Schnitt rund sechs Familien im Jahr, so schätzt sie. Mit vielen hat sie noch freundschaftliche Kontakte. Gerne ist sie in Familien mit mehreren Kindern. „Ich mag es, ordentlich etwas um die Ohren zu haben“, erklärt die vierfache Mutter. Die Vertrauensbasis sei wichtig in ihrem Beruf, schließlich habe man sehr private Einblicke. „Wir haben Schweigepflicht, es dringt nichts nach außen“, betont sie. Es gebe aber auch manchmal belastende Momente, wenn die ausgefallene Mutter beispielsweise schwer erkrankt oder sogar verstorben sei, was sie selbst noch nicht erlebt habe. „Wir haben die Möglichkeit zur Supervision, um etwas loszuwerden.“ In einem starken Konfliktfall bestehe theoretisch die Möglichkeit, die Betreuung abzubrechen und einen Wechsel zu veranlassen, erklärt sie.
Größeres Spektrum
Verändert habe sich der Beruf mit den Jahren, findet sie im Rückblick. „Früher waren es viele landwirtschaftliche Betriebe, bei denen die Dorfhelferinnen im Einsatz waren. Manche hatten einen großen Gemüsegarten, da spielte Einkochen und Vorratshaltung noch eine große Rolle.“ Heute seien kleinere Haushalte in der Mehrzahl. Auch das Spektrum sei größer geworden. Angefragt werde die Arbeit der Dorfhelferinnen auch von Jugend- und Sozialämtern, beispielsweise zur Unterstützung im Alltag, wenn eine Mutter mit Haushaltsführung und Familienbetreuung überfordert sei.
„Der Beruf ist abwechslungsreich, und es wird nie langweilig“, wirbt sie für Nachwuchs. Auch Männer könnten sich als Dorfhelfer ausbilden lassen, doch bisher gebe es in Niedersachsen noch keinen. Grundvoraussetzung, so findet sie, seien Kontaktfreudigkeit und Einfühlungsvermögen.
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