„Im Einsatz spielt dein Geschlecht keine Rolle“
Artikel vom 04.08.2023

Wollen keinen Einsatz verpassen (von links): Vanessa Ruhnau, Stefanie Tönje und Michelle Menke brennen für ihr Ehrenamt als Feuerwehrfrauen bei der Freiwilligen Feuerwehr Schierbrok-Schönemoor. Bild: Alexandra Meier
Es gibt immer mehr weibliche Mitglieder bei der Freiwilligen Feuerwehr. Ob sie es dabei schwerer haben, als ihre männlichen Kameraden, berichten drei Feuerwehrfrauen aus Schierbrok-Schönemoor.
Ganderkesee/Schierbrok - Löschen, Retten, Räumen, Öffnen, Sichern, Bergen und noch einiges mehr gehört zu den Aufgaben der Freiwilligen Feuerwehr Schierbrok-Schönemoor. „Ob Mann oder Frau ist völlig egal, bei uns geht es nur darum, wer was kann“, erklärt Hauptfeuerwehrfrau und Truppführerin Michelle Menke (27), die seit sieben Jahren bei der Feuerwehr ist. Wenn die 1,62 Meter große, angehende Lehrerin ihrem Trupp Anweisungen gibt, wird Folge geleistet. „Im Einsatz werden Befehle nicht hinterfragt, klar wird hinterher darüber gesprochen oder auch mal diskutiert, aber das hat dann nichts mit dem Geschlecht zu tun“, berichtet Feuerwehrkameradin Vanessa Ruhnau.
Gemeinsame Umkleiden
Die Arbeit, die Feuerwehren leisten, ist vielfältig und anspruchsvoll. Damit im Ernstfall alles klappt, muss es regelmäßige Übungen, Lehrgänge und Fortbildungen geben. In diesem Jahr ist die Feuerwehr Schierbrok-Schönemoor bereits 20 Mal ausgerückt – zuletzt vermehrt wegen der Unwetterlagen. Unter den 73 Schierbroker Mitgliedern sind aktuell neun Frauen. Eigene Umkleideräume haben sie nicht – das stört dort aber auch bislang keine der Frauen: „Beim Alarm bleibt gar keine Zeit, dort jemandem auf den Arsch zu gucken“, sagt Feuerwehrfrau-Anwärterin Stefanie Tönjes (40). Auch, dass mal ein rauerer Ton herrschen kann, nimmt sich unter den Kameradinnen und Kameraden niemand übel: „Es geht im Zweifel um Leben und Tod, da bleibt dann manchmal keine Zeit für Höflichkeiten“, erklärt Ruhnau. Im Alltag arbeitet die 31-Jährige als Industriemechanikerin, seit zwei Jahren ist sie bei der Feuerwehr.
Süchtig nach Adrenalin
„Für mich ist es einfach ein tolles Gefühl, helfen zu können. Ich wollte, dass mein Sohn etwas Sinnvolles macht und dann sind wir gemeinsam beigetreten“, erzählt Tönjes, die als Servicekraft im Hotel Backenköhler in Stenum arbeitet und seit eineinhalb Jahren in der Feuerwehr ist. Die Arbeit, die sie und ihre Kameradinnen und Kameraden bei der Feuerwehr leisten, hilft allerdings nicht nur anderen Menschen: „Wir versuchen uns immer gegenseitig zu pushen und zu fördern, so wächst man über sich selbst hinaus“, berichtet Menke.
Aber nicht nur das reizt die Frauen: „Ich stehe einfach auf den Nervenkitzel, es stimmt schon, dass Adrenalin süchtig machen kann“, so Menke weiter. Wer kein Adrenalin-Junkie ist, kann trotzdem Feuerwehr-Mitglied werden. „Beim ersten Einsatz hatte ich wirklich richtig Angst. Aber wir sind ja immer im Team und niemals allein, mit der Zeit wird man ruhiger“, erzählt Tönjes und will damit auch andere ermutigen.
Die drei Frauen können sich ihr Leben mittlerweile kaum mehr ohne die Feuerwehr vorstellen. Eine Entwicklung, von der sich auch der Schierbroker Ortsbrandmeister Norbert Twisterling mehr als begeistert zeigt: „Mitte der 90er-Jahre fing bei uns die erste Frau an und hat dann die Türen für weitere Feuerwehrfrauen geöffnet. Ich sehe das als eine richtige Bereicherung für das ganze Team, das Klima untereinander ist viel besser.“
Luft nach oben
In den obersten Führungspositionen sind bei der Feuerwehr Schierbrok-Schönemoor allerdings bisher keine Frauen vertreten, aber auch hier vermutet Menke eine Entwicklung: „Für die Beförderungen müssen immer eine gewisse Anzahl an Dienstjahren geleistet werden und viele Frauen haben erst deutlich später angefangen, da wird sich in den nächsten Jahren noch einiges tun.“
Benachteiligt fühlen sich die Schierbroker Feuerwehrfrauen nach eigener Aussage in keiner Weise: „Im Einsatz spielt dein Geschlecht keine Rolle. Es kommt auf Empathie, Zuverlässigkeit und Engagement an“, resümiert Menke.
In Deutschland waren nach der aktuellsten Erhebung von 2020 insgesamt 105.493 Frauen (10,5 Prozent) in der Freiwilligen Feuerwehr aktiv.
Im Landkreis Oldenburg sind 228 Frauen im aktiven Dienst. Das sind 12 Prozent der Gesamtmitglieder (Stand 1.1.2023). Als erste Feuerwehrfrau fing 1982 Elke Stöver bei der Wardenburger Feuerwehr an – ihre Aufnahme musste sie damals allerdings einklagen. Mit knapp über 60 ist sie heute immer noch dabei und kümmert sich um die Brandschutzerziehung in den Grundschulen.
In der Gemeinde Ganderkesee gibt es insgesamt 59 Frauen im aktiven Dienst. Das sind 16 Prozent der Gesamtmitglieder und somit deutlich mehr als im Bundesdurchschnitt (Stand 1.1.2023).
Davon sind 16 Frauen in Ganderkesee, 13 in Bookholzberg, 9 in Schierbrok-Schönemoor, 8 in Falkenburg, 8 in Bergedorf und 5 in Havekost-Hengsterholz im aktiven Feuerwehrdienst (Stand 1.1.2023). Die erste Feuerwehrfrau in der Gemeinde Ganderkesee war Mitte der 80er-Jahre Beatrix (Trixi) Busch.
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