Lesen und Schreiben als Lebensthema
Artikel vom 29.01.2024
Eltje Fricke hat fast 50 Jahre lang in Ganderkesee als Lerntherapeutin für Kinder mit Legasthenie gearbeitet. Bild: Antje Rickmeier
Fast 50 Jahre lang hat sich Eltje Fricke als Lerntherapeutin für Kinder mit Lese- und Rechtschreibproblemen eingesetzt. Das Lesen begleitet die 87-Jährige auch im Ruhestand.
Ganderkesee/Oldenburg - Auf dem Tischchen neben dem Sessel stapeln sich Bücher. Auch ein Nachrichtenmagazin liegt bereit. „Ich lese leidenschaftlich gern“, sagt Eltje Fricke. Jetzt gibt es endlich mehr Zeit dafür: Vor Kurzem hat sich die Lerntherapeutin aus Ganderkesee aus dem Berufsleben zurückgezogen. Seit Dezember wohnt sie bei ihrem jüngsten Sohn und dessen Familie in Oldenburg.
Unterstützung für Eltern
Lesen – das ist für Eltje Fricke nicht nur eine schöne Freizeitbeschäftigung. Jahrzehntelang hat sie Kinder unterstützt, die Probleme beim Erlernen dieser Grundfertigkeit hatten. „Ich habe an vielen Schulen gearbeitet“, berichtet die 87-Jährige. Darüber hinaus trug sie wesentlich dazu bei, die Lese- und Rechtschreibstörung Legasthenie bekannter zu machen. In den siebziger Jahren gründete Eltje Fricke gemeinsam mit anderen Eltern und einigen Lehrern den Verein Elterninitiative Legasthenie Ganderkesee (ELG). „Wir haben Fachleute zu Vorträgen nach Ganderkesee eingeladen, damit auch Eltern Hilfe bekommen“, berichtet sie. Denn es sei wichtig, die Eltern zu stärken, damit sie ihre Kinder unterstützen könnten.
Kinder brauchen Zutrauen
Für Mütter und Väter ist es nicht leicht, mit der Lese-Rechtschreib-Schwäche ihrer Kinder umzugehen. Das weiß Eltje Fricke aus eigener Erfahrung. Drei ihrer vier Kinder hatten Legasthenie. In den siebziger Jahren traf das auf große Vorbehalte: „Mit Frickes Kindern dürft ihr nicht spielen, die sind nicht normal“, habe es damals in der Nachbarschaft geheißen. Außerdem erinnert sich die Ganderkeseerin, dass viele Diktate mit der Note 6 aus der Schule zurückkamen. Die Sprüche der Nachbarn nahmen Eltje Fricke und ihr Mann mit Humor. Außerdem suchten sie nach Möglichkeiten, ihre Kinder beim Lesen und Schreiben bestmöglich zu unterstützen. „Wir haben ihnen Zutrauen zu sich selbst vermittelt“, erinnert sie sich. Alle hätten ein Studium absolviert und ihren beruflichen Weg gefunden.
Expertin für Legasthenie
Als Mutter und Lerntherapeutin hat Eltje Fricke die Erfahrung gemacht, dass die betroffenen Kinder häufig besondere Begabungen in anderen Bereichen besitzen. „Meine Beobachtung ist, dass die Legasthenie an eine Kunstbegabung gekoppelt ist“, berichtet sie. Für die Ganderkeseerin wurde die Arbeit mit Kindern, die Probleme beim Lesen und Schreiben haben, zur Lebensaufgabe: Sie absolvierte eine Ausbildung zur Lerntherapeutin und arbeitete bis vor Kurzem noch von morgens bis abends mit Kleingruppen und einzelnen Kindern – sie wurde zur Expertin für Legasthenie: „Ich habe viele Fortbildungen gemacht und viel gelernt.“
Mit Eltje Frickes Eintritt in den Ruhestand und ihrem Umzug nach Oldenburg wurde allerdings auch die Elterninitiative Legasthenie Ganderkesee aufgelöst. Die Arbeit des Vereins habe sie mit ihrem Gehalt finanziert und Kindern eine Lerntherapie für wenig Geld ermöglicht, berichtet ihr Sohn Weert Fricke. „Das ist ihre Lebensleistung.“ Doch die Arbeit wird in seiner Praxis für Ergo- und Lerntherapie mit Standorten in Ganderkesee und Oldenburg fortgeführt. Auch wenn Eltje Fricke jetzt im Ruhestand ist – das Lesen begleitet sie weiter: Dafür sorgt schon der Bücherstapel auf ihrem Tisch.
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