„Wir wären gern doppelt so viele Hebammen“
Artikel vom 02.05.2022

Herzlich willkommen im Leben: Im Landkreis Oldenburg gibt es in Wildeshausen noch Kreißsäle. Doch der Hebammenmangel macht sich überall bemerkbar. Bild: Symbolbild/Pixabay
Die Geburtshilfe auf dem Abstellgleis? Hoffentlich nicht! Unsere Kollegen der NWZ haben eine Serie ins Leben gerufen und veröffentlicht wöchentlich Themen rund ums Thema Kreißsaal, Schwangerschaft und Hebammenmangel.
Geburten sind der Grund Nummer eins, wieso Menschen in Deutschland ein Krankenhaus aufsuchen. Dennoch zentralisieren sich Kliniken, Kreißsäle werden geschlossen, werdende Mütter fahren mitunter zig Kilometer, um bei der Geburt ihres Kindes Unterstützung zu bekommen, in einigen Regionen gibt es überhaupt keine Kliniken mit Geburtsstation. Im Landkreis Oldenburg sieht das glücklicherweise anders aus. Im Johanneum in Wildeshausen halten die Verantwortlichen an der Geburtshilfe fest – wohl wissend, dass es in diesem ländlichen Gebiet sonst auch eng würde für Schwangere.
Gebären können hier Frauen ab der 36. Schwangerschaftswoche – Risikogeburten begleiten die Hebammen hier nicht.
Mangel bemerkbar
Fünf freiberuflich tätige Beleghebammen leisten am Johanneum die geburtshilfliche Versorgung. Rund um die Uhr ist der Kreißsaal besetzt, „es ist bislang auch noch nie vorgekommen, dass wir zeitweilig schließen oder eine Schwangere abweisen mussten“, berichtet Hebamme Mandy Völsgen. Das ist positiv. Doch der Fachkräftemangel macht sich auch hier bemerkbar. Bei den rund 600 Geburten pro Jahr wäre die doppelte Anzahl an Hebammen eigentlich wünschenswert. „Wir machen monatliche Dienstpläne und teilen die 24-Stunden-Dienste unter uns auf“, so Völsgen. Allen stehen 30 Tage Urlaub zu – „und man kann auch mal krank werden.“
Teure Versicherungen
Das Geburtshilfe-Team am Krankenhaus Johanneum ist seit vielen Jahren stabil, Mandy Völsgen selbst arbeitet seit 26 Jahren hier. „Das zeigt ja, dass hier ein gutes Arbeitsumfeld herrscht, wir gut zusammenarbeiten.“ Dennoch werde es immer schwieriger, ausgeschriebene Stellen zu besetzen.
Das liege auch an der horrend hohen Summe für die Haftpflichtversicherungen für Freiberuflerinnen. Mehr als 12.000 Euro zahlen diese im Jahr, um abgesichert zu sein. Zwar hat sich politisch seitdem einiges getan – beispielsweise hat das Bundesministerium für Gesundheit Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht, um bessere Rahmenbedingungen zu schaffen. Hebammen erhalten unter anderem einen sogenannten Sicherstellungszuschlag zu der Haftpflichtversicherung.
Hohe Vorhaltekosten
Dennoch: „Hebammen, die den Sicherstellungszuschlag erhalten, müssen in Vorleistung gehen und die Haftpflichtprämie zunächst vorfinanzieren. Erst nach einem halben Jahr können sie nach einem Antrag die Teilerstattung erhalten“, erklärt Völsgen. Am Johanneum bietet man den Beleghebammen deshalb eine Beteiligung an der Prämie der Berufshaftpflicht an, so Ulrike Berg, die Pressesprecherin im Johanneum.
Und apropos Geld: Krankenhäuser zahlen hohe Vorhaltekosten, wenn sie Geburtshilfe anbieten, legt Berg dar. Denn theoretisch muss alles verfügbar sein, falls doch ein Kaiserschnitt oder andere medizinische Hilfe notwendig wird. Ein freier Operationssaal, ein Anästhesist, weitere Ärztinnen und Ärzte sowie OP-Personal. Kurzum: weitere räumliche und personelle Ressourcen, die bezahlt werden müssen, auch wenn sie – im besten Falle – nicht zum Einsatz kommen. „Diese Vorhaltekosten werden durch das derzeitige Vergütungssystem nicht adäquat finanziert“, berichtet Berg.
Studium als Schlüssel
Aber es gibt Licht am Ende des Tunnels – wenn auch nicht morgen. Der Schlüssel für den Hebammenmangel könnte Akademisierung heißen (dazu wird es einen weiteren Serienteil geben). Durch den Studiengang Hebammenwissenschaften, der auch an vier niedersächsischen Unis bzw. Fachhochschulen angeboten wird, soll sich die Anzahl der Hebammen erhöhen. Bis Studierende wirklich in der Geburtshilfe tätig werden, vergehen noch ein paar Jahre. Aber die Bewerbungszahlen sind hoch. Mandy Völsgen weiß genau, warum. Sie muss lachen: „Es ist ein toller Beruf. Wenn die Rahmenbedingungen sich verbessern – dann gibt’s nichts Schöneres.“
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