Apotheker aus Varel: „Globalisierung fällt uns gerade richtig auf die Füße“

Artikel vom 22.05.2023

Lena Hruschka

Noch immer kämpfen viele Apotheken mit dem Medikamentenmangel. Jandirk Burchards, Apotheker aus Varel, kennt die Hintergründe. (Symbolbild). Bild von Steve Buissinne auf Pixabay 

Noch immer ist keine Besserung beim Medikamentenmangel in Apotheken in Sicht. Der Apotheker Jandirk Burchards kennt die Hintergründe und erklärt, was die Krankenkassen und die Politik ändern müssten.

Anfang des Jahres waren Fiebersäfte für Kinder kaum zu bekommen. Gerade in der Hochphase von Grippe, Erkältung, Corona und Co. hatten viele Apotheken bereits mit Lieferengpässen diverser Arzneimittel zu tun. Auch wenn die Temperaturen aktuell steigen und längst nicht mehr so viele Menschen erkranken wie im Winter, beschäftigt das Problem der Medikamentenknappheit weiterhin viele Apothekerinnen und Apotheker, wie Jandirk Burchards, Inhaber der Rosen- und der Friesen-Apotheke in Varel, weiß.

Vielfältige Gründe

Die Gründe für die Engpässe seien vielfältig. „Was wir Apotheken mit alles Branchen gemeinsam haben ist die Globalisierung. Nur noch wenige Produkte können vor Ort eingekauft werden. Diese Lieferketten reichen teils bis nach Fernost und irgendwo in dieser Kette hakt es“, erklärt der Vareler Apotheker. Die Wirkstoffproduktion würde häufig nur noch in Indien oder China stattfinden. „Diese Globalisierung fällt uns gerade richtig auf die Füße“, glaubt Burchards. Die Erhältlichkeit der Arzneimittel ändere sich von Woche zu Woche. Burchards weiß aktuell von 400 Artikeln, die für seine Apotheken nicht erhältlich sind. „Was man seit Dezember sagen kann, es fehlen generell Antibiotika“, berichtet der 51-Jährige: „Zuerst waren nur die Antibiotika-Säfte für Kinder betroffen, mittlerweile sind es auch die ganzen Tabletten für Erwachsene.“

Alternative Therapien

Eine Person sei in Burchards Apotheken mittlerweile lediglich mit der Beschaffung von Arzneimitteln beschäftigt. „Wir konnten uns früher auf unseren einzigen Großhandel verlassen. Mittlerweile fragen wir bei bis zu fünf Großhändlern und den Herstellern an“, berichtet der Vareler. Wenn ein bestimmter Artikel nicht zu bekommen ist, telefoniere Burchards mit den Ärztinnen und Ärzten der Patienten, um alternative Therapiemöglichkeiten zu finden. „Das ist wahnsinnig zeitintensiv und dafür fehlt uns eigentlich auch das Personal“, erklärt der Apotheker.

Keine Besserung

Burchards rechne nicht damit, dass sich das Problem mit den Lieferengpässen in der nächsten Zeit bessere. Denn: „Es ist ja auch politisch gewollt, dass die Krankenkassen ihre Produkte ausschreiben und nur den billigsten Medikamenten einen Zuschuss geben dürfen“, erklärt Burchards. Der Versorgungsaspekt spielt dabei keine Rolle, meint er. Solange diese Voraussetzung besteht, glaube Burchards nicht an eine Verbesserung der Situation.

Viele Patienten würden ihre Dauermedikation mittlerweile längere Zeit im Voraus besorgen. „Im Zweifel kann das natürlich auch dazu führen, dass der Engpass verschärft wird“, meint er. Andererseits: „Ich glaube aber auch, dass ein gewisser Vorrat von Medikation die regelmäßig eingenommen werden muss, Sinn ergibt.“

Was Krankenkassen zahlen

Laut Gesundheitsministerium zahlen Krankenkassen nicht automatisch jeden Preis, sondern grundsätzlich nur bis zum Festbetrag. Dieser wurde für Arzneimittelgruppen mit denselben oder vergleichbaren Wirkstoffen und für Arzneimittelgruppen mit therapeutisch vergleichbarer Wirkung festgesetzt. Ist ein Verkaufspreis höher als der Festbetrag, tragen Patienten in der Regel die Differenz zum Festbetrag selbst oder erhalten ein anderes - therapeutisch gleichwertiges – Arzneimittel ohne Aufzahlung. Das Problem: Auch gleichwertige Produkte sind von Lieferengpässen betroffen.

Ein Beispiel aus einer Datenbank des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte macht das Problem anschaulich: Hier sind insgesamt 346 Arzneiprodukte mit dem Wirkstoff Ibuprofen aufgelistet. Das „Doc Ibuprofen Schmerzgel fünf Prozent“ liegt mit 22,50 Euro über dem Festpreis von 17,60 Euro und würde daher von den Krankenkassen nicht bezuschusst werden. Für dieses Schmerzgel sind vier Vergleichspräparate aufgelistet. Lediglich ein Vergleichsprodukt liegt unter dem Festpreis.


 

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