Hier gehört Trisomie 21 zum Alltag
Artikel vom 23.03.2023

Mitten im Leben: Jara liebt es, überall dabei zu sein. Bild:privat
Am 21. März ist Welt-Down-Syndrom-Tag. 2022 hatte die NWZ drei Familien mit ihren Babys besucht, die diesen Gendefekt haben. Ein Jahr später wollten wir wissen: Wie läuft der Alltag?
Offene Gespräche statt verstohlener Blicke und ein Umfeld, in dem ihre Kinder ganz normal aufwachsen können – diesen Wunsch haben Daniela Brödje, Isabell Seifert und Christine Wardenburg im Gespräch mit unserer Zeitung im vergangenen Jahr formuliert. Jara, Pelle und Thea sind 2021 mit Trisomie 21 („Down-Syndrom“) auf die Welt gekommen; mit einem Presseartikel wollten die drei Mütter aus Hude dieses Thema mehr in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. Ein Jahr später ziehen sie für uns noch einmal Bilanz.
Nicht nur positiv
Inzwischen sind beziehungsweise werden die Kleinen zwei Jahre alt, der Alltag ist in den Familien angekommen: Isabell Seifert und Daniela Brödje arbeiten mittlerweile wieder, Thea hat einen Platz bei einer Tagesmutter, Pelle in einer Krippe. Hinter den Familien liegt ein Jahr mit vielen guten Begegnungen und Erfahrungen. Doch dass nicht alles nur positiv war, verhehlen sie nicht. Zum Beispiel, dass Danielas Wunschkrippe ihren Sohn nicht aufnehmen wollte. Die unerwartete Ablehnung habe sie verletzt, gibt sie offen zu. Inzwischen aber ist sie glücklich mit dem Betreuungsplatz. „Pelle bekommt hier sogar therapeutisches Reiten“, erzählt sie. Reibungsloser als gedacht verlief Isabells Suche nach einer Betreuung: Die Tagesmutter ihrer älteren Tochter bot ohne Zögern an, auch Thea aufzunehmen. Christine Wardenburg hat sich dafür entschieden, noch länger für ihre Tochter Jara zu Hause zu bleiben. Aber auch sie wird ab Herbst zu einer Tagesmutter gehen. „Die Suche war ähnlich unproblematisch wie bei Thea“, sagt Christine.
Gebärdensprache
Auch nach zwei Jahren ist es für die Eltern immer noch schwierig, sich im Behörden- und Formulardschungel zurechtzufinden – obwohl sie fit sind in der Internetrecherche und wissen, wie sie schnell an Informationen kommen. Der Wunsch nach mehr Transparenz bei den Angeboten und Anlaufstellen für Frühförderung, der schon in unserem ersten Gespräch anklang, ist unverändert. Mit der bestmöglichen Förderung für ihre Kinder haben sich die drei Familien intensiv auseinandergesetzt. Dabei werden auch die älteren Geschwister mit eingebunden – etwa in der Gebärdensprache, mit deren Hilfe die Familien mit den Kleinen kommunizieren. Einfache Begriffe wie „Hunger“, „Müde“, „Nach Hause“ werden damit ausgedrückt. So überbrücken die Familien die Phase, in der ihre Kinder noch nicht sprechen können. Denn viele Kinder mit Trisomie 21 lernen dies sehr viel später als andere. Sowohl die Kleinen als auch die älteren Geschwister greifen diese Alternative der Verständigung begeistert auf.
Bewusste Fortschritte
Die Sprache ist nicht die einzige Entwicklungsverzögerung, die mit Trisomie 21 einhergehen kann. Auch mit dem Laufen beispielsweise beginnen viele der Kinder später. Was im Babyalter noch nicht auffällt, wird nun immer offensichtlicher. „Die Schere geht immer weiter auseinander. Natürlich macht uns das manchmal traurig“, räumt Isabell ein. „Aber das sind winzige Momente – und dafür nimmt man jeden Fortschritt umso bewusster wahr.“ Und für Kinder mit Trisomie 21 gilt ebenso wie für alle anderen: Die Entwicklung ist sehr individuell.
inder sind integriert
Werden die Kinder Freunde finden? Diese Sorge trieb die drei Mütter in unserem ersten Gespräch um. Heute können sie diese Frage mit Ja beantworten. Bei den anderen Kindern in der Krippe und in Spielgruppen sind sie integriert – und das macht ihre Eltern glücklich. „Wenn wir vor zwei Jahren schon gewusst hätten, wie gut sich alles entwickelt, hätten wir uns weitaus weniger Sorgen gemacht“, sind sich die Mütter einig. Diese Gelassenheit hätten sie sich von Anfang an gewünscht – „und es wäre toll, wenn jungen Eltern in unserer Situation schon im Kreißsaal signalisiert würde: Es wird nicht immer einfach sein, aber trotzdem wunderschön.“
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