Oldenburger Gefängnis-Zahnarzt schätzt Freiheit im Berufsleben
Artikel vom 12.09.2022

Kümmern sich um die zahnmedizinische Versorgung der Gefangenen in der JVA Oldenburg: Dr. Eckart Nikolai und Praxis-Mitarbeiterinnen. Bild: Wolfgang Alexander Meyer
In der Oldenburger JVA kennt Dr. Eckart Nikolai sich wohl am besten mit Löchern aus. Als Zahnarzt versorgt er die Gefangenen und schätzt die Freiheit, die sein Beruf ihm bringt.
Gefängnis und Löcher passt auf den ersten Blick nicht wirklich zusammen. Dennoch ist diese Kombination der Berufsalltag von Dr. Eckart Nikolai. Als Zahnarzt ist er ein Teil des Gesundheitssystems der Justizvollzugsanstalt (JVA) Oldenburg und sorgt unter anderem dafür, dass Löcher im Gebiss seiner Patienten schnell versorgt werden und im besten Fall gar nicht erst entstehen.
Im Rahmen der NWZ-Serie „Arbeiten hinter Schloss und Riegel“ haben verschiedene Mitarbeiter der JVA mit unserer Redaktion gesprochen. Sie berichten über ihren beruflichen Werdegang und ihre Aufgaben in dem Gefängniskomplex.
Die Ausbildung
Dabei geben sie Einblicke in ein System, mit dem man im besten Fall nur beruflich in Kontakt kommt. In diesem Teil der Serie dreht sich alles um den Zahnarzt.
Seine Ausbildung begonnen hat Dr. Nikolai an der Universität Erlangen, an der er Zahnmedizin studiert hat. Nach Oldenburg hat es ihn verschlagen, weil seine Frau aus der Stadt stammt. Er selbst ist in Hamburg aufgewachsen. „Ich hatte nach dem Studium eigentlich ganz andere berufliche Pläne und wollte mich selbstständig machen. In der JVA habe ich Vertretungen übernommen und als Honorararzt gearbeitet“, erinnert sich der Mediziner. Als die Zahnarzt-Stelle im Oldenburger Gefängnis ausgeschrieben worden ist, hat er sich trotzdem beworben.
„Ich wollte das ausprobieren und habe mich nach zwei Jahren entschlossen, weiter hier zu arbeiten“, berichtet Nikolai. Überzeugt habe ihn neben den gut ausgebildeten Mitarbeitern insbesondere die Freiheit, mit der er seinen Berufsalltag gestalten könne. „In einer normalen Zahnarztpraxis ist alles sehr stark terminiert und durchorganisiert. Meist schon Monate im Voraus. Das ist hier anders und vor allem sehr viel flexibler. Wenn ich mir heute überlege, in einigen Tagen frei zu nehmen, klappt das in der Regel.“
Der Beruf in der JVA bringt aber auch Schwierigkeiten mit sich. Denn anders als in einer normalen Praxis gibt es im Gefängnis nicht die Möglichkeit, einen Patienten einfach weiterzuverweisen oder sich kurz mit einem Kollegen zu besprechen. „Ich muss jeden Patienten behandeln, denn die Gefangenen haben die gleichen Ansprüche wie ein normaler Kassenpatient, können aber nur bei mir versorgt werden“, sagt Nikolai. Deshalb sei es wichtig, Erfahrung und Interesse an Chirurgie mitzubringen, wenn man als JVA-Zahnarzt arbeiten wolle.
Keine Angst
Angst vor seinen Patienten hat der Zahnarzt nicht. „Mir ist egal, wer auf dem Stuhl sitzt und ich will nicht wissen, was die jeweilige Person verbrochen hat.“ Trotzdem müsse man immer vorsichtig sein und die Augen offen halten, um sich selbst und die Mitarbeiter zu schützen. „Aber letztendlich kommen die Patienten zu uns, weil sie etwas von uns wollen“, weiß der Mediziner.
Alles in allem unterscheide sich sein Arbeitsalltag nicht grundlegend von dem seiner Kollegen außerhalb der JVA. Der deutlichste Unterschied ist, dass Dr. Nikolai in einer Privatpraxis mehr verdienen würde, dafür aber deutlich weniger Freiheit bei der Gestaltung seiner Arbeitszeit hätte. „Man muss seine Prioritäten kennen, wenn man in diesem Beruf arbeiten will. Die Tätigkeit ist die gleiche, auch wenn es Gitter an den Fenstern gibt.“
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