RTL soll Högel-Interview entfernen

Artikel vom 25.01.2023

Christoph Kiefer

Steht auf der Kippe: das Interview mit Niels Högel in der Doku „Der Todespfleger“ Bild: Screenshot

Die Mediengruppe RTL soll die umstrittenen Interview-Passagen mit Pflegemörder Niels Högel in der Doku „Der Todespfleger“ entfernen. Das hat die Medienaufsicht nach langer Bedenkzeit entschieden. Ob RTL der Auflage folgt, ist offen.

Die Mediengruppe RTL muss das umstrittene Interview mit Patientenmörder Niels Högel aus der Doku „Der Todespfleger“ entfernen. Das hat die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) entschieden. Damit gibt die Medienaufsicht einer Beschwerde der Justizvollzugsanstalt Oldenburg recht, die gegen das nicht genehmigte telefonische Interview einer TV-Produktionsfirma mit Högel protestiert hatte.

Zustimmung bei der JVA

Anstaltsleiter Marco Koutsogiannakis begrüßte die Entscheidung. „Das ist absolut richtig und gut so“, sagte Koutsogiannakis unserer Redaktion auf Anfrage. „Unser Interview-Verbot wurde missachtet, deshalb haben wir dagegen protestiert.“ Die Produktionsfirma habe nach Darlegung der Medienaufsicht gegen die journalistische Sorgfaltspflicht verstoßen, sagte Koutsogiannakis. Eine schriftliche Begründung stehe aus, deshalb könne er noch nichts Näheres sagen. Die Entscheidung sei noch nicht endgültig; RTL habe die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen. Ob die Sendergruppe das Votum akzeptiert, ist offen. Eine Sprecherin teilte am Montag auf Anfrage mit, die Beanstandung der Medienaufsicht werde geprüft.

„Der Todespfleger“ in vier Teilen

RTL hatte im September 2021 auf einer Streamingplattform eine vierteilige Doku unter dem Titel „Der Todespfleger“ veröffentlicht. Die vier Folgen zeichnen Ablauf und Hintergründe des Pflegemordskandals nach, der zwischen 2000 und 2005 mehr als 80 Patienten der Krankenhäuser Oldenburg und Delmenhorst das Leben gekostet hat. In der Doku kommen unter anderem damalige Kollegen, Prozess-Beobachter und Fachleute zu Wort. In mehreren Sequenzen spricht auch Högel selbst.

Gegen Högels Beteiligung an der Doku regte sich nach der Veröffentlichung massiver Widerstand. Die Gefängnisleitung hatte eine Interview-Genehmigung abgelehnt. Dennoch führte ein Mitarbeiter der Produktionsfirma ein Telefonat. Sein Name stand auf der Liste der Gesprächspartner, mit denen Högel aus dem Gefängnis heraus kommunizieren durfte. Überwacht wurden Högels Telefonate zu diesem Zeitpunkt nicht. RTL rechtfertigte mit Verweis auf den bestehenden Kontakt das Interview.

Gegen die Interview-Passagen hatten auch Vertreter der Hinterbliebenen der Högel-Opfer protestiert. Sie verwiesen auf die Geltungssucht, die Högel durch die Veröffentlichung befriedigen könne. Mehrere Gesprächspartner, die in der Doku auftreten, zeigten sich empört. Ihnen sei versichert worden, dass Högel in der Doku keine Bühne bekomme. RTL bestreitet entsprechende Zusagen.

Die Medienaufsicht hatte sich für die Entscheidung über die Beschwerde, die seit Herbst 2021 der Landesanstalt für Medien NRW vorliegt, ungewöhnlich viel Zeit gelassen. Im Februar 2022 hatte eine Sprecherin mitgeteilt, der Fall sei „nicht eindeutig“ und werde zur Prüfung in die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) gegeben. Diese Kommission, das zentrale Organ der Medienanstalten in Deutschland, werde über den Fall entscheiden. Offenbar war die Antwort auf die Beschwerde aber auch in diesem Gremium nicht eindeutig – so zog sich die Entscheidung noch fast ein Jahr hin.

Lesen Sie in unserem Spezial alle Artikel zum Fall Högel


 

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