Wie man Hass in Poesie verwandelt

Artikel vom 18.01.2023

Patrick Buck

Zu Gast in der Oldenburger Kulturetage: Sarah Bosetti Bild: Piet Meyer

Sarah Bosetti ist meinungsstark. Deswegen schlägt ihr im Internet viel Hass entgegen. Wie man dem künstlerisch begegnen kann, zeigte die Kabarettistin in der Oldenburger Kulturetage.

Facebook, Twitter und andere soziale Netzwerke sind ein wahrer Fundus der Poesie. Man braucht allerdings einen besonderen Blick auf das dort in Massen zu findende Geschwurbel, Gehetze und Gezeter, um sie zu entdecken – und ein entsprechendes Gemüt, um an dem vielen Hass nicht zu verzweifeln. Die 38-jährige Autorin und Kabarettistin Sarah Bosetti besitzt offenbar diese Gabe, wie sie am Donnerstagabend in der ausverkauften Kulturetage unter Beweis stellt.

Ihre auf dem Energieerhaltungssatz fußende These: Hass verschwindet nicht, auch wenn es zu wünschen wäre. Er ist da, im Internet an vielen Stellen, aber dort bleibt er nicht. Bosetti erfährt ihn persönlich im Netz, wann immer sie sich politisch oder gesellschaftskritisch äußert. Und das tut sie gern und oft, auch provokativ. Der Teil des Netzes, der sich bevorzugt auf unterstem Niveau mitteilt, springt genau darauf an – und tappt dabei in die Falle.

Satirische Grüße

Denn Bosettis Programm „Ich hab nichts gegen Frauen, du Schlampe“ basiert genau auf den Hasskommentaren, die die Kabarettistin tagtäglich erreichen. Geschickt übernimmt sie die Elemente aus den Beiträgen, greift das thematische Grundmaterial auf und baut daraus einen poetischen Bumerang, den sie mit besten satirischen Grüßen zurück zum Entsender fliegen lässt – allerdings sprachlich deutlich hochwertiger als die häufig grammatikalisch wie orthografisch fragwürdigen Ursprungstexte.

Die drei großen Themenfelder des Abends: Hass gegen Frauen, Hass gegen Ausländer, Hass gegen „das System“ und „die da oben“. Bosetti reagiert darauf mit humorvollen Gedichten, die jeweils eine klare Positionierung enthalten. So wird ihre Abneigung gegen Männer, die einen Machtanspruch gegenüber Frauen geltend machen, mehr als deutlich. Sie hält zudem ein Plädoyer für „die alte Frau“, die von der Gesellschaft an den Rand gedrängt werde.

Weidel, Merz, Reichelt

Und sie macht sich für Geflüchtete stark, die in Lagern auf den griechischen Inseln ausharren und nach Deutschland kommen möchten. „Natürlich gibt es unter ihnen auch viele Arschlöcher. Aber die Arschloch-Quote ist genauso hoch wie unter den Menschen, die schon hier leben“, so ihre These. Alice Weidel, Friedrich Merz, Julian Reichelt – sie alle und ihre Debattenbeiträge bei diesen Themen nimmt sich Bosetti zur Brust. Auch der Bundeskanzler mit seiner Iran-Zurückhaltung bekommt sein Fett weg. Im Tonfall immer nett und verständnisvoll, aber im Wort mit deutlicher Kritik.

Dass sie auch abseits des gesellschaftspolitischen Theaters einfach mal einen humorvollen Blick auf den Alltag werfen kann, beweist die Kabarettistin in ihren Erzählungen einer Bahnfahrt oder aus einem Café, in dem sie von einem Seniorenpaar trickreich um ihren Tisch gebracht wird. Ein wenig Unbeschwertheit gesteht sie dem Publikum zwischendurch zu, bevor einem der nächste Lacher ob des vielen Hasses anderer Menschen, der Bosetti entgegenschlägt, im Halse stecken zu bleiben droht.


 

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