Die Zeit der Silberrücken ist vorbei
Artikel vom 07.07.2023

Seit drei Jahren an der Spitze der Emder IG Metall: die 1. Bevollmächtigte Franka Helmerichs. Bild: Jens Voitel
Mit Christiane Benner steht ab Herbst die erste Frau an der Spitze der IG Metall. In Emden ist das längst Alltag. Ein Gespräch mit der 1. Bevollmächtigten Franka Helmerichs
Emden - Die IG Metall, eine der größten deutschen Einzelgewerkschaften, soll mit Christiane Benner erstmals von einer Frau angeführt werden. Sie soll im Oktober gewählt werden. Diese Nachricht war den Medien vor wenigen Wochen einige durchaus erstaunt klingende Schlagzeilen wert. In Emden dagegen kann diese weibliche Personalie eigentlich nicht für besonders große Aufregung gesorgt haben, steht mit Franka Helmerichs doch schon seit drei Jahren eine Frau an der Spitze der IG Metall. Und die 51-Jährige ist noch nicht mal die erste weibliche 1. Bevollmächtigte: Schon vor mehr als 20 Jahren, von 1997 bis 2003, führte Regina Allemann die männerdominierte Industriegewerkschaft in Ostfriesland fast sechs Jahre lang an – auch wenn sie letztlich dann doch an den Männern scheiterte.
Positives Signal
Für Franka Helmerichs hat die Nominierung ihrer Kollegin Benner dennoch eine Signalwirkung und ist „ein weiterer Schritt nach vorn“, wie sie sagt. Denn die Entscheidung falle in eine Zeit, in der durch die Corona-Zeit das eigentlich überwunden geglaubte traditionelle Familienbild, die Rollenverteilung von Frau und Mann, wieder „um zehn bis 15 Jahre“ zurückgefallen sei. „Wir machen gerade wieder eine Rolle rückwärts“, fürchtet Franka Helmerichs.
Noch nicht überall
Wer sich eine Zeit lang mit Franka Helmerichs über ihre Arbeit als Frau an der Spitze der IG Metall in Emden unterhält, trifft nicht auf eine betont kämpferische oder gar laute Gewerkschaftsführerin, die sich gegen all die Männer in der Mitgliedschaft permanent beweisen muss. Vielmehr erlebt man eine selbstbewusste, aber auch nachdenkliche Frau, die sich sehr wohl bewusst zu sein scheint, dass ihre Position noch immer nicht ganz so selbstverständlich ist, wie sie sich das wünschen würde. Sie thematisiert das nicht groß, wiederholt kommt sie allerdings darauf zu sprechen, dass die Gleichberechtigung auch in der Emder IG Metall noch längst nicht überall angekommen ist – auch wenn es aus Sicht von Franka Helmerichs anderswo noch schlechter aussieht.
Anders hinbekommen
Und sie spricht offen über die kleinen internen Kämpfe, die sie in den vergangenen Jahren – und davor bereits als Betriebsratsvorsitzende in einem Betrieb mit 600 Beschäftigten – zu kämpfen hatte. Aber: „Die Zeit der Silberrücken ist vorbei“, sagt sie bestimmt und meint damit sicher nicht die vom aussterben bedrohten männlichen Gorillas. Gleichzeitig sagt sie auch, dass sie mit ihrer Stimme und ihren 1,68 Meter Körpergröße anders agieren muss als beispielsweise ihr fast zwei Meter große Vorgänger Michael Hehemann oder gar der mächtige Kraftprotz Fritz Niemeier, der inzwischen verstorbene Betriebschef der Nordseewerke und zuletzt 2. Bevollmächtigter der Emder IG Metall. Sie füllten die Räume, in die sie traten. Franka Helmerichs muss das anders hinbekommen.
Die Gewerkschaft ist immer noch eine Männerwelt. Das hat natürlich mit den Industriebetrieben im Zuständigkeitsbereich der IG Metall zu tun. Zudem gibt es gewachsene Strukturen und auch Netzwerke, die auch schon mal auf dem Fußballplatz gesponnen werden und sich nicht von einem Tag auf den anderen auflösen lassen. Franka Helmerichs weiß das natürlich. Netzwerken kann sie aber auch – vielleicht etwas anders als die Männer.
Ohne Geschrei
Von einem „Spiel mit der Macht“, erzählt sie, dass auch sie mitspielen muss. Möglichst aber nicht mit Krawall oder Geschrei, sondern mit Überzeugung. Obwohl: Mitreißen muss sie die Menschen auch, sie muss sie begeistern und „mitnehmen“, wie es immer so schön heißt. „Begeistern kann man auch anders.“ Und die Macht? „Wenn ich Arbeitgebern gegenüberstehe, habe ich natürlich auch die Macht – die Macht der 17.000 Mitglieder, die ich vertrete.“ Hat sie die Arbeit an der Spitze denn verändert? Franka Helmerichs braucht etwas länger für eine Antwort, sagt dann aber: „Die Verantwortung hat mich wahrscheinlich verändert.“ Regina Allemann unterstellte man am Ende, sie sei überfordert. Der damalige mächtige Gewerkschaftsboss Uwe Schmidt, der sie einst gefördert hatte, ließ sie fallen. Der Mann bestimmte also direkt oder indirekt, ob die Frau an der Spitze bleiben durfte. Vergangene Zeiten?
Selbstverständlicher
Frauen in Führungspositionen sind selbstverständlicher geworden, meint Franka Helmerichs. Hier und da hilft sicherlich die Quote. Letztlich spiegeln die Gewerkschaftsspitzen auch nur die Gesellschaft wider.
Franka Helmerichs will jedenfalls weitermachen. Im nächsten Jahr muss sie sich wieder zur Wahl stellen – an der Spitze der Emder IG Metall und den vielen männlichen Kollegen.
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