Ein Gesamtkunstwerk zwischen Leben und Tod

Artikel vom 18.11.2022

Ina Wagner

Während der „Messe de Requiem“ wurden die zehn Totentanz-Gemälde von Klaus Frerichs nacheinander groß auf das Altarbild projiziert. Bild: Ina Wagner

Es war das traditionelle Jahreskonzert des Emder Singvereins von 1805. Doch traditionell war bei dieser besonderen Inszenierung rein gar nichts.

Wenn sich die Künste zusammentun, dann entsteht etwas Neues. Dann schreitet der Dirigent in Radmantel und Zylinder – begleitet von einer klassischen Tänzerin – beschwingt in den Raum hinein. Dann wird mit Glockenklang das jeweils nächste Stück angekündigt. Dann flankiert ein Gemäldezyklus den Einzug der Sängerinnen und Sänger, dann wird der Raum in buntes Licht getaucht oder es werden Projektionen an die Wände geworfen, dann beglückt eine Konzertharfe mit Zauberklang, dann entsteht eine Choreographie, die – so die Bitte der Veranstalter – nicht durch Applaus fragmentiert werden soll.

Schiere Begeisterung

Zur Inszenierung gehört, dass sich alle an die Verabredung halten. Und auch das klappte am Sonntag beim Konzert des Emder Singvereins von 1805 unter der Gesamtleitung von Clemens-C. Löschmann. Der hatte auch das Procedere und die Abfolge ausgetüftelt, die in der gut besuchten Martin-Luther-Kirche für schiere Begeisterung sorgten. Im Zentrum stand dabei Musik des französischen Komponisten Camille Saint-Saëns (1835 bis 1921). Und die kulminierte im ebenso kunstfertigen wie kraftvollen „Danse Macabre“ und in seinem berührenden Meisterwerk, der „Messe de Requiem“ von 1878.

Doch viele Künste zu beteiligen bedeutet auch, für ausreichend Beschäftigung für alle zu besorgen – für Orchester, Instrumental- und Sängersolisten, Orgel, Tänzerin und nicht zuletzt für den Chor, der zwar zahlenmäßig durch die Pandemie-Jahre geschwächt ist, stimmlich aber mit Genauigkeit und Sangesfreude seinem Leiter folgte.

Der „Marche réligieuse“, hier für Orgel und Harfe arrangiert, bot einen zart-melodiösen Einstieg, der sich widerspiegelte im „Calme de Nuits“, der „Ruhe der Nächte“, dem ersten Auftritt des Singvereins. In der „Glocke“, der Vertonung eines Gedichtes von Victor Hugo fand der schöne Sopran von Solistin Stephanie Henke sein Sangesfeld. „Der Schwan“ aus dem „Karneval der Tiere“ wurde tänzerisch von Katie Riebschlaeger interpretiert. Leider konnte man von den hinteren Reihen aus nur Kopf und Arme der Tänzerin sehen.

Eindruck mit Saxophon

In dem erst 2021 wiedergefundenen „Super flumina Babylonis“ war wieder der Chor gefordert, der sich stellenweise aufs Schönste mit dem Sopran verschleifte. Doch auch die Kammer Sinfonie Bremen und das Detmolder Saxophon Quartett waren im Einsatz, um das prächtige Chorwerk von 1854 zu präsentieren. Dies machte in der Tat Eindruck.

Zum „Danse Macabre“ machte sich der Tod in Rot zum Tanze auf und Mezzosopranistin Rosina Fabius setzte das „Zig et zig et zig“ wirkungsvoll in Szene, ehe mit dem Requiem der Höhepunkt erreicht wurde, bei dem der Chor sich die Partitur mit dem wunderbaren Tenor Andreas Post, Bariton Jörg Gottschick und den Frauenstimmen teilte. Die kleine Messe gestaltete sich musikalisch aufsteigend – von dem drohenden „Dies irae“ und dem um Gnade flehenden „Rex tremendae“ bis zum lichteren „Hostias“ und dem seelenvollen „Agnus Dei“. Dazu wurden die zehn Totentanz-Bilder des Emder Künstlers Klaus Frerichs gezeigt.

Die Zugabe war noch einmal Saint-Saëns: das „Tollite Hostias“ aus dem Weihnachtsoratorium. Und das wurde zu einem prachtvoll festlichen Ja zum Leben, wobei die Orgel sogar den Zimbelstern kreisen ließ. Organist Tobias Brommann spielte ganz ausgezeichnet. Insgesamt: eine mächtige Leistung und ein Kunststück, so viele Beteiligte beisammen zu halten und zu einem inspirierenden Gesamtklang zu vereinen.


 

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