„Es war Liebe auf den ersten Blick“
Artikel vom 29.07.2022

Da steht sie noch: Thomas de Jonge (54) vor Brücke 11. Der Kranführer hat die Anlage 27 Jahre lang bedient und kannte sie aus dem Effeff. Bild: Norbert Schnorrenberg
Eine Sprengung ist nicht einfach nur ein technischer Vorgang. Oft sind damit auch Emotionen und Erinnerungen verbunden. Brücke 11 macht in dieser Hinsicht keine Ausnahme.
Sprengmeister Eduard Reisch (61) wird das bei den meisten seiner Arbeiten erlebt haben: Wenn ein Gebäude oder ein anderes großes Objekt binnen weniger Sekunden mit großem Getöse plattgemacht wird, dann mischen sich Anerkennung für perfektes handwerkliches Können und wehmütige Töne. „Die Sprengung verlief lehrbuchmäßig“, sagt Christian Best (35) am Montag spätabends nach der Sprengung der Verladebrücke 11 am Südkai. Best ist Projektleiter von Niedersachsen Ports und hat den Abbruch des Umschlag-Dinos im Neuen Binnenhafen insgesamt ein halbes Jahr lang vorbereitet.
Wehmütiger Blick zurück
Eine andere, viel engere Beziehung zu Brücke 11 hat Thomas de Jonge (54). „Schade, dass es vorbei ist. War cool, damit zu arbeiten“, sagt er, als sie noch steht. Er schaut mit einem Lächeln, in dem auch ein Hauch Traurigkeit steckt, ein letztes Mal hinauf zu „seiner“ Gondel unter dem mächtigen, blau gestrichenen Maschinenhaus. Von dort aus, mehr als 30 Meter über dem Kai schwebend, hat er den Greifer bedient, ihn immer wieder hinabgetaucht in Schiffsbäuche, ihn dort zuschnappen lassen, um tonnenweise Ladung an Land zu werfen. „Da oben hast du dich gefühlt wie ein König“, sagt der Mann aus Simonswolde, der Wasserbauwerker gelernt hat und später eine dreimonatige Kranführerausbildung draufsattelte.
Er erinnert sich noch, als er zum ersten Mal auf Brücke 11 „anheuerte“: „Das war Liebe auf den ersten Blick.“ 27 Jahre ist das jetzt her. Das in Wilhelmshaven von Krupp gebaute und mit Technik von Siemens gefüllte Arbeitsgerät war „unglaublich schnell“, erzählt de Jonge lebhaft, schneller als ein moderner Mobilkran sei sie gewesen.
Anders als de Jonge ist Wilfried Janssen (74) ein ruhiger Typ. Der Elektriker, der vor neun Jahren in den Ruhestand ging, ist extra von seinen Ex-Kollegen zur Sprengung eingeladen worden. Zur Feier des Tages haben sie ihm das Typenschild von Brücke 11 als Geschenk überreicht. Eine Erinnerung auch an 50 Jahre Arbeit im Hafen.
So lange war der Emder Wilfried Janssen dabei, erst bei der Emder Hafenumschlagsgesellschaft (EHUG), die die einst elf Verladebrücken im Emder Hafen betrieb und auch wartete, anschließend beim Niedersächsischen Hafenamt und schließlich bei N-Ports. Janssen hat 1976 erlebt, wie Brücke 11 aufgebaut wurde.
Er schaut immer aufs Neue hin zu dem Verladegerät, das eng mit seinem Job verbunden war, fixiert es mit den Augen, als ob er dieses Bild für immer in seinem Kopf abspeichern will. Nach der Sprengung wird er zu Projektleiter Best sagen: „Schade ist es ja. Aber Eure Arbeit habt Ihr wirklich gut gemacht.“
Die letzte ihrer Art
Drei Kranführer gibt es noch bei Niedersachsen Ports, sagt Thomas de Jonge. Sieben waren sie bis zur Stilllegung von Brücke 11 vor drei Jahren. Und in Spitzenzeiten saßen 16 Kollegen in drei Schichten in den Gondeln. Brücke 11 war die letzte ihrer Art in Emden. Sie galt als nicht mehr wirtschaftlich. Als einzige von einst elf an Süd- und Nordkai wird sie mit Hilfe von Sprengstoff abgebrochen. Eine Auszeichnung? Wohl eher die kostengünstigste Art der Verschrottung.
Die allerletzte Fahrt mit Brücke 11 hat Thomas de Jonge unternommen: „Das wollte ich mir nicht nehmen lassen.“ Er hat sie noch einmal in Position gesetzt, ein letztes Mal.
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