Über 4000 Menschen bei Anti-Rechts-Demo

Artikel vom 29.01.2024

Marten Klose

Voll wie lange nicht war der Rathausplatz in Emden. Rund 4000 Menschen nahmen an der Groß-Demonstration teil. Bild: Wilke Mennenga

Die Emder Innenstadt war am Samstag so voll wie lange nicht. Mehr als 4000 Menschen haben gemeinsam ein Zeichen gegen Rechtsextremismus gesetzt.

Emden - Einen so vollen Rathausplatz hat Emden seit Langem nicht mehr erlebt: Mehr als 4000 Menschen haben am Samstag ein starkes und vor allem sichtbares Zeichen gegen Rechtsextremismus gesetzt. Eng auf eng, Jung und Alt, lauter Gesang, Transparente in allen Größen und Farben, Demonstranten bis in die Große Straße und in den Stadtgarten – nicht nur ein eindrucksvolles Bild, sondern auch ein breites gesellschaftliches Statement gegen Hass und Ausgrenzung.

Zur Kundgebung mit dem Titel „Ostfriesland steht zusammen: Demokratie schützen“ hatte das Bündnis „Emden demokratisch“ aufgerufen und flammende Reden angekündigt. Den Start machte Oberbürgermeister Tim Kruithoff (parteilos), der sichtlich beeindruckt von der Menschenmenge war und in seiner leidenschaftlichen Ansprache deutlich machte, dass es „uninteressant ist, woher man kommt, sondern wohin man geht“. Eine deutliche Replik auf die kürzlich aufgedeckten „Remigrations-Pläne“ einiger AfD-Politiker und anderer Rechtsextremer, die von massenhaften Ausweisungen von Menschen mit Migrationshintergrund fabulieren. Diese Pläne würden nichts anders bedeuten als Vertreibung und Deportation, sagte Kruithoff.

Appell für Demokratie

Eindringlich warnte er vor den „Feinden der Demokratie“, die mittlerweile in den Parlamenten säßen. Sichtbar sein, Aufstehen gegen Rechts, die Demokratie verteidigen und deutlich machen, dass braunes Gedankengut eben nicht von der Mehrheit der Gesellschaft geteilt wird, das war Tenor von Kruithoffs Rede, für die er viel Applaus bekam.

Auch Rico Mecklenburg, Präsident der Ostfriesischen Landschaft, sieht den von Journalisten aufgedeckten „Remigrations-Plan“ als „Weckruf für den Erhalt der Demokratie“. Mit vielen Querverweisen in die ostfriesische Geschichte, aber auch einem deutlichen Appell, „es niemals mehr zu einem rechtsextremen Konzert in der Krummhörn kommen zu lassen“. Gemeint war damit das Canumer Konzert mit zweifelhaften Bands, das vergangenes Jahr wochenlang für Zündstoff in der Region gesorgt hatte. Mecklenburg forderte die Ostfriesen folgerichtig auf, „Deiche gegen die braune Flut zu bauen“.

Kein Zwischenfall

So auch Imke Diekena vom Ortsjugendausschuss der IG Metall: „Keinen Millimeter nach rechts.“ Der einzelne Mann mit geschultertem hölzernem Kreuz, auf dessen gelber Weste mit Filzstift AfD geschrieben stand, hatte das am Samstag wahrscheinlich nicht gehört. Er wurde freundlich, aber bestimmt von vier Polizisten aus dem Stadtgarten geleitet. Kein Zwischenfall, keine wirkliche Störung der sehr friedlichen Veranstaltung, aber eben doch zu erwähnen.

Dass sich das Klima nicht nur auf den Straßen, sondern längst auch im Parlament geändert hat, darüber sprach Landtags-Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz (Grüne). Toleranz ist „hart und anstrengend“, räumte sie ein und forderte gleichzeitig, die Stimme zu erheben gegen Menschen, die „nicht mehr tolerant sind“. Die Ansprachen von Heike-Maria Pilk vom Auricher Europahaus und dem Emder Hochschul-Professor Dr. Carsten Müller zielten in eine ähnliche Richtung.

Offene Gesellschaft gefordert

Was es bedeutet, von Hass, Ressentiments und Ausgrenzung betroffen zu sein, berichtete der 26-jährige Jannik Daniels vom Queeren Netzwerk, der von seiner Angst sprach, wegen seiner sexuellen Orientierung womöglich zur Zielscheibe von Rechten zu werden. Einen weiteren Dreh gab der Kundgebung Sultana Alim vom Kurdischen Frauenrat Zelal, die einen Einblick darüber gab, was die „Remigrations-Pläne“ bei Menschen mit Migrationshintergrund ausgelöst haben. Ihre Eltern seien vor über 30 Jahren als kurdische Jesiden nach Deutschland gekommen. Sie verstehe nicht, wie der Bundestag auf der einen Seite die Verfolgung der Jesiden durch den „Islamischen Staat“ als Völkermord einstuft, gleichzeitig aber „seit Monaten Jesiden in den Irak abschiebt“.

Es war eins der vielen Gesprächsthemen Samstag auf dem Rathaus-Platz. Nach fast zwei Stunden war die Innenstadt immer noch voll. Ein sichtbares Zeichen – genau 79 Jahre nach Befreiung von Auschwitz.


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