Corona trifft Arbeitnehmer in Nordenham
Artikel vom 05.05.2022

Die Teilnehmer der Talkrunde in der Jahnhalle marschierten beim Demonstrationszug zum 1. Mai voran: (von rechts) Ralf Feierabend, Michael Eilers, Nils Humboldt, Bürgermeister Nils Siemen und Heiko Siemens. Vorneweg: die Marching-Band Brake. Bild: Dennis Weiß
Nach zwei Jahren veranstaltete der DGB die erste Mai-Kundgebung in Nordenham. Im Mittelpunkt stand eine Corona-Bilanz.
Mustafa Dogan blickt strahlend vom Rednerpult der Jahnhalle und sagt: „Endlich!“ Endlich lässt die Corona-Situation wieder persönliche Treffen wie die Mai-Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu, dessen Kreisvorsitzender Dogan ist. Zwei Jahre lang war das nicht möglich gewesen.
Schonungslos offenbart
Es waren zwei Jahre, die tiefe Spuren in Betrieben und Behörden hinterlassen und Missstände schonungslos offenbart haben. Das war die Quintessenz der Premiere des Mai-Talks des DGB, den NWZ-Redaktionsleiter Norbert Hartfil moderierte. In der Wesermarsch-Klinik in Esenshamm war der erste Lockdown noch gut zu verkraften, sagte der Betriebsratsvorsitzende Ralf Feierabend: Mitarbeiter konnten Überstunden abbauen.
Doch ab Herbst 2020 zeigte die Corona-Pandemie in der Klinik ihr wahres Gesicht: Die Intensivstation war voll belegt, ebenso das Stockwerk, das für Corona-Patienten frei gehalten wurde. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterin arbeiteten unter Vollschutz am Limit. Das blieb nicht ohne Folgen, wie Ralf Feierabend deutlich machte: Noch immer seien Kollegen krank geschrieben, oft wegen der massiven psychischen Belastung, die diese Pandemie ihnen abverlangte.
Ein weiterer Corona-Hotspot waren die Schulen. „Sie sind ein Modell der Gesellschaft“, sagte Nils Humboldt, Lehrer der Oberschule Am Luisenhof, Mitglied des GEW-Kreisvorstandes und SPD-Fraktionsvorsitzender im Stadtrat. Gerade an den Schulen habe sich deutlich gezeigt, wie schlecht es um die Digitalisierung in Deutschland stehe.
Massive Belastung
Für Schüler und Lehrer waren diese gut zwei Jahre eine massive Belastung. Rund ein Halbjahr Unterricht sei ausgefallen, bilanzierte Nils Humboldt. Lehrer mussten gleichzeitig Präsenz- und Distanz-Unterricht am Bildschirm leisten. Das Digitalpaket bezeichnete Humboldt als „bürokratisches Ungetüm“. Die vor zwei Jahren zugesagten digitalen Endgeräte würden in den nächsten Monaten erwartet. Und auch die Lüftungsanlagen seien – anders als in den Büros der Ministerien – nicht eingetroffen oder gar eingebaut.
Nils Humboldt machte keinen Hehl aus seiner Verärgerung über leere Bildungs-Versprechungen in Politiker-Sonntagsreden. Die Schulen, betonte er, brauchten mehr Personal: nicht nur mehr Lehrkräfte, sondern auch mehr Schulbegleiter und mehr Sozialarbeiter.
Auch in der Industrie schlug Corona zu. So wurde im Einswarder Flugzeugwerk massiv Personal abgebaut – zu massiv, wie sich inzwischen zeigt. Gut 500 Stellen seien verloren gegangen, bilanzierte der Betriebsratsvorsitzende Michael Eilers. Wenn es nach den ursprünglichen Plänen des Managements gegangen wäre, hätten es sogar 1100 sein sollen. „Nicht auszumalen“ wären die Folgen für die mittlerweile wieder anziehende Nachfrage gewesen, sagte Michael Eilers.
Es war ein Erfolg der Gewerkschaft, dass es nicht noch schlimmer gekommen ist. Jetzt, im Mai, müssten die Details für den Betriebsübergang zu Airbus Aerostructure verhandelt werden. Eine wichtige Aufgabe der nächsten Jahre werde es sein, Mitarbeiter für die neuen Aufgaben weiterzubilden.
Speelwark singt
Auch die Stadtverwaltung blickt auf zwei schwierige Jahre zurück, machte der Personalratsvorsitzende Heiko Siemens deutlich. Kaum ein Mitarbeiter konnte ins Homeoffice wechseln, die Mitarbeiter aus Schwimmbädern und Jahnhalle sowie die Reinigungskräfte konnten in Kurzarbeit gehen.
Für den musikalischen Teil war das Butjenter Speelwark zuständig; unter anderem sang es „Die Internationale“.
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