Rodenkircher Markthalle wird zum hinduistischen Tempel
Artikel vom 05.09.2023

Der Höhepunkt des Hochzeitsrituals: Der Bräutigam Vinithan Vigneswaran (Mitte) kurz bevor er seiner Frau Dana die Goldkette umhängt. Bild:Jens Milde
Linsencurry, prachtvolle Gewänder und Gebete ins Sanskrit: In der Rodenkircher Markthalle haben am Sonnabend Dana und Vini Vigneswaran geheiratet – und zwar nach hinduistischer Tradition.
Rodenkirchen/Brake - Der große Moment, auf den alle gewartet haben: Vinithan Vigneswaran hängt seiner Braut die Hochzeitskette um. Die Thaali wird einem besonderen Knoten gebunden. Die Besucher, die sich vor der Bühne versammelt haben, werfen Reis und Blumen. Ein Ehepaar sind Vini und Dana Vigneswaran aus Brake schon seit zwei Jahren. Jetzt sind es auch nach hinduistischer Tradition.
So exotisch ausgestattet wie am Sonnabend war die Rodenkircher Markthalle noch nie. Es ist 10 Uhr. Die Bühne gleicht einem Tempel. Weiße Säulen, weiße Blumenketten. Der Saal ist erfüllt mit Trommelrhythmen. Öllampen brennen. Blumen, Bananen, Kokosnüsse, Mangos und Äpfel haben zwei hinduistische Priester zu einem leuchtend-bunten Stillleben arrangiert. Einer von ihnen bittet Gott Ganesha, alle Hindernisse zu beseitigen, die dem Glück des Brautpaars im Wege stehen könnten. Er macht das in Sanskrit, der heiligen Sprache im Hinduismus. Während er spricht, läutet er immer wieder eine Glocke.
Seit zehn Jahren
Die Zeremonie ist ein hochspirituelles Ritual. So haben sich die 25-jährige Dana und der 26-jährige Vini das gewünscht. Zusammengekommen sind die beiden vor zehn Jahren. 2016 haben sie am Braker Gymnasium Abitur gemacht. Für Dana stand schnell fest: „Das wird auch mal mein Ehemann.“ Sie sollte Recht behalten. Vor zwei Jahren haben die beiden standesamtlich geheiratet. Im kleinen Kreis. „Es ging nicht anders wegen der Corona-Pandemie“, erzählt die Braut. Auf eine große Feier wollten sie aber nicht verzichten. Und sie sollte mindestens teilweise in tamilischer Tradition stattfinden. Das war Dana sogar noch wichtiger als ihrem Mann.
Die Eltern von Vini Vigneswaran stammen aus Sri Lanka und gehören dem Volk der Tamilen an. Sie sind nach Deutschland geflohen, weil in ihrem Heimatland Krieg und Unterdrückung herrschten. Ihr Sohn ist in Brake aufgewachsen. Er arbeitet als Elektroniker bei NKT in Nordenham. Seine Frau, eine geborene Oltmanns, ist als Augenoptikermeisterin in Brake tätig.
220 Gäste feiern die Verbindung der beiden am Sonnabend in der Markthalle. Sie kommen aus allen Ecken Deutschlands, aber auch aus der Schweiz, England und Frankreich. Vini hätte gerne auch Angehörige aus Sri Lanka dabei gehabt. Sie haben aber kein Visum bekommen. Das ist vor allem deshalb schade, weil der Familienzusammenhalt einen ganz hohen Stellenwert bei den Tamilen hat – und zwar über alle Ländergrenzen hinweg.
Lange Vorlaufzeit
Ein Jahr lang haben Dana und Vini Vigneswaran ihre hinduistische Hochzeit geplant. Konvertieren musste Dana dafür nicht. „Da ist der Hinduismus total offen“, sagt sie. Die lange Vorlaufzeit hängt vor allem damit zusammen, dass man viele Dinge, die zu einer traditionellen hinduistischen Trauung dazugehören, nicht mal eben um die Ecke bekommt. Das gilt für Deko und Kleidung, aber auch für das Essen. Um einen Caterer zu finden, der ein tamilisches Büfett zaubern kann, musste das Paar seine Fühler bis nach Nordrhein-Westfalen ausstrecken.
Das Essen kam aus Dortmund – etwas später, weil die Lieferanten im Stau steckten. Aber als es da ist, machen die Gäste große Augen. Linsencurry, Auberginencurry, natürlich Reis und viele weitere exotische Speisen sind auf den Büfetttischen zu finden.
Die Hochzeitsrituale hatten bereits am Mittwoch begonnen – mit einem Henna-Abend. Dana ließ sich die Unterarme mit Ornamenten verzieren. Am Freitag zog sie aus der gemeinsamen Wohnung aus. Auch das ist Tradition. Das Paar darf sich 24 Stunden vor der Trauung nicht sehen. Derweil fuhr ihr Mann zum Goldschmied nach Hannover, um die Halskette für seine Frau abzuholen. Traditionell darf sie erst am Tag vor der Trauung gegossen werden. Am Tag der Trauung bis zur feierlichen Zeremonie musste das Brautpaar fasten.
Traditionell gekleidet
Bei der Feier sind viele Gäste traditionell tamilisch gekleidet. Das ist durchaus anspruchsvoll. Das Binden eines sechs Meter langen Tuchs (Saree) zu einem prachtvollen Gewandt ist ohne Unterstützung kaum möglich. Aber die Gäste, die darin keine Übung haben, bekommen Unterstützung. Ihnen dürfte diese ganz besondere Hochzeit noch lange in Erinnerung bleiben, weil sie hautnah eine geheimnisvolle, betörende, geradezu mystische Welt erleben dürfen.
Nach dem vegetarischen Büfett wird die Hochzeitfeier dann deutsch. Jetzt ist auch Bier erlaubt. Am Abend wird die Hochzeitstorte angeschnitten. Dana ist überglücklich: „Was für ein Tag. Es ist unglaublich, was unsere Angehörigen und Freunde alles vorbereitet haben.“ Den aufgetupften roten Punkt auf der Stirn trägt sie Stolz. Er ist ein Zeichen dafür, dass sie verheiratet ist.
Weitere interessante Artikel