Wer will fleißige Handwerker seh’n...?
Artikel vom 23.02.2023

Vertreter aus dem Handwerk und der Wirtschaft, aus Politik und Verwaltung diskutierten im Bürgerhaus Schortens über die Ausbildung im Handwerk. Bild: Oliver Braun
Volle Auftragsbücher, aber kaum Leute: Das Handwerk steckt in Schwierigkeiten, immer weniger junge Leute wollen hier eine Ausbildung machen. Woran liegt das und wie lässt sich das ändern?
„Wer will fleißige Handwerker seh’n, der muss zu den Kindern geh’n...“ Es steckt viel Wahrheit in diesem alten Kinderlied. Denn (auch) dem Handwerk fehlt der Nachwuchs. Zu viele wollen heutzutage Architekt oder Ingenieur werden, zu wenige Maurer, Dachdecker oder Zimmerer. Die Werbung für das Handwerk und die Vorstellung der vielen Handwerksberufe müsse viel früher ansetzen, am besten schon in der Grundschule und nicht erst am Ende der Schullaufbahn.
Das ist eine von mehreren Schlussfolgerungen der Podiumsdiskussion im Bürgerhaus Schortens rund um die Ausbildung im Handwerk und die Frage, ob das Handwerk noch den sprichwörtlichen goldenen Boden hat. Im Podium diskutierten Praktiker aus dem Handwerk und Vertreter aus der Wirtschaft, den Berufsbildenden Schulen, vom Job Center und aus der Politik mit dem Publikum. Eingeladen hatten die CDU-Stadtverbände aus Jever und Schortens, Carola Schede moderierte.
Zu viele Akademiker
Wer heute ein Haus baut oder renoviert, wer Heizung, Bad oder Küche modernisiert oder eine Photovoltaikanlage auf dem Dach installiert haben will, muss oft monatelang auf einen Handwerker warten. Das ist eine Erfahrung, die gerade auch der Leiter des Job Centers Friesland, Andreas Bruns, machte. Und der Familienvater behauptet auch: Für die Jugendlichen stehen Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten im Beruf nicht mehr an erster Stelle – Fragen etwa zum Beitrag für den Klimaschutz, zum Stand der Digitalisierung oder auch die Erreichbarkeit der Ausbildungsbetriebe und Berufsschulen seien bei der Ausbildungswahl junger Leute nicht zu unterschätzen. Auch Bruns kritisierte, dass die Berufsorientierung an den Schulen zu spät ansetze. Zu viele Kinder würden zum Abi und in akademische Berufe getrieben.
Er habe die Berufsorienteungsmesse „Job4U“ während seiner Zeit am Gymnasium nie kennengelernt, sagte ein 24-Jähriger im Publikum. Die „Wertschätzung“ des Handweks habe er aber unter anderem erlebt, wenn er als Banker im Anzug oder mal in grüner Gärtner-Arbeitsjacke unterwegs sei. Eine 16-Jähriger berichtete, dass in seiner Klasse viele ins Handwerk wollten.
Guter Verdienst
Und Axel Uphoff, stv. Schulleiter der BBS Jever findet: „Nach dem Abi ist es nicht verboten, erstmal eine Berufsausbildung zu machen und in die Lehre zu gehen.“
Dass man als Akademiker im Berufsleben mehr Geld verdiene als ein Handwerker, sei ein Irrglaube, sagte Olaf Werner, Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) Wilhelmshaven-Friesland. Tatsächlich könne man als guter Handwerker in allen Bereichen „sehr gutes Geld“ verdienen, teils auch schon ohne Meisterbrief, während viele Altersgenossen an den Unis noch mit BaföG, Aushilfsjobs und Unterstützung der Eltern über die Runden kommen müssen. Und der MIT-Vorsitzende meint: „Wenn alle mal eher in die Arbeit kommen und nicht bis zum Alter von fast 30 Jahren studieren und dann feststellen, dass sie sich beruflich doch noch mal neu orientieren wollen, dann wäre schon viel gewonnen.“ Gleichwohl, da waren sich alle Diskutanten einig, muss es möglich sein, ohne Makel „zu scheitern“.
Scheitern ist keine Schande
In jungen Jahren festzustellen, dass das begonnene Studium oder die Ausbildung doch nicht das Richtige ist und noch mal ganz etwas anderes anzufangen, sei keine Schande, meint auch CDU-Bundestagsabgeordnete Anne Janssen. Sie stellte außerdem fest, dass im Handwerk das riesige Potenzial der Frauen noch lange nicht gehoben ist. Auch die CDU-Bundestagsabgeordnete plädiert dafür, an den Schulen viel früher über Berufe zu informieren, Praktiker einzuladen und die Schüler Praktika machen zu lassen. Auch Eltern und Lehrer müssten früher und intensiver mitgenommen werden in den Fragen der Berufsorientierung der Kinder.
Auf goldenem Boden
Apropos Praktiker: Tom Korowkin hat es mit 26 Jahren als Maurer- und Betonbaumeister schon in jungen Jahren weit gebracht. „Ich bin eher der praktisch veranlagte Typ, brauche was zum Anfassen und will sehen, was ich geschaffen habe.“ Dass das Handwerk einen schlechten Ruf habe, kann er leicht erklären: „Wir machen meistens Lärm und Dreck, wir duften nach acht Stunden harter körperlicher Arbeit nicht nach frischen Blumen und wir fangen morgens um 7 Uhr an.“ Er sei froh, wenn die Leute pünktlich zur Arbeit kommen. Die Lust an der Arbeit sei wichtiger als das Abi.
„Schützenhof“-Hotelier Stephan Eden brachte die Demografie und somit den „Menschenmangel“ ins Spiel: „Es fehlen ja überall Leute. Kommen die Leute vermehrt ins Handwerk, fehlen sie in den Schulen und Kitas, in den Pflegeheimen, in Gerichten, Krankenhäusern oder in der Verwaltung.“ In seinem Betrieb habe er den Fachkräftemangel mit hochmotivierten Mitarbeitern aus Indonesien auffangen können.
Ohne Handwerk keine Zukunft: Denn die Energiewende, die Verkehrswende und viele andere große Herausforderungen dieser Zeit seien ohne das Handwerk nicht zu lösen. Am Ende einer interessanten Diskussion bleibt die Erkenntnis: Handwerk hat goldenen Boden. Er muss vor allem auch mal wieder gründlich poliert werden.
Weitere interessante Artikel