Wilhelmshavener zieht es trotz Krisen in die Ferne
Artikel vom 09.01.2023

Wilhelmshavener buchen wieder mehr Reisen in ferne Länder, so etwa bei Geschäftsführerin Katja Weißenfels und ihren Mitarbeiterinnen Nina Klafft und Melanie Wien im Reisebüro Kusch an der Posener Straße. Bild: Dirk Gabriel-Jürgens
Endlich wieder nahezu sorgenfrei Urlaub machen, das denken sich wohl viele Wilhelmshavener bei ihrem Gang ins Reisebüro. Die verzeichnen in diesem Jahr nämlich besonders viele weite Flugreisen und Kreuzfahrten.
Die Reiseleidenschaft der Wilhelmshavener scheint trotz – oder vielleicht auch gerade wegen – der vielen Krisen ungebrochen. Dies zeigt eine Umfrage unserer Redaktion unter Wilhelmshavener Reisebüros.
Und doch: Inmitten der Inflation wird trotz aller Fernweh besonders nach Schnäppchen und attraktiven Angeboten geschaut.
Frühe Buchung schafft Planungssicherheit
„Viele unserer Kunden haben derzeit großes Interesse an den Frühbucherrabatten“, berichtet Katja Weißenfels, Geschäftsführerin des Reisebüros Kusch an der Posener Straße in Fedderwardergroden. Die Hoffnung dabei sei, durch frühzeitige Buchung möglichen weiteren Preissteigerungen zuvor zu kommen. „Ihnen geht es dabei vor allem um die Planungssicherheit“, sagt Weißenfels.
Obwohl das Bestreben, auch beim wohlverdienten Urlaub noch weitere Sparmöglichkeiten und Schnäppchen zu ergattern, groß ist, legen die Kunden laut Weißenfels ein besonderes Augenmerk auf die Qualität der Angebote. „Wir sehen ein unglaublich gesteigertes Interesse an hochwertigen Produkten und Premiumangeboten“, sagt Weißenfels. Die Qualität spiele trotz Preisängsten trotzdem eine wichtige Rolle. „Die Reisenden informieren sich bei uns ausgiebig über die Ziele und die Qualitätsstandards der Unterkünfte und Kreuzfahrtschiffe“, erklärt Weißenfels. Da sei es für die Reisebüros umso wichtiger, die Urlaubsorte, Unterbringungen und Schiffe gut zu kennen, um den Menschen ein gutes Bild vor Augen vermittelt zu können.
Für die Touristen gibt es weitere Möglichkeiten mit den Auswirkungen der Inflation umzugehen. „Neben Frühbucherrabatten sind auch ’Flex Tarife’ stark nachgefragt. Diese geben die Möglichkeit, gebuchte Reisen noch wenige Wochen vor Reiseantritt zu stornieren oder umzubuchen“, erklärt Sigrid Harms, Büroleitung im Alltours Reisecenter Strohmann in der Bismarckstraße.
Preissteigerungen in allen Urlaubsländern
Denn auch in den Gastgeberländern würden steigende Nebenkosten zunehmend für Verteuerungen sorgen. Harms nennt als Beispiel die Türkei, eines der traditionell beliebtesten Urlaubsländer der Deutschen. Spanien und die Kanaren seien im Vergleich etwas günstiger. „Man weiß natürlich nie, wie sich die Preislage vor Ort entwickeln wird“, sagt Sigrid Harms.
Dennoch, das sagen die befragten Agenturen übereinstimmend, Preiserhöhungen gab und gebe es in allen Reisegebieten.
Dass es die Menschen aber dennoch in die Ferne zieht, wird an den aktuell beliebten Reisezielen der Wilhelmshavener besonders deutlich. Neben den klassischen Urlaubsländern in Europa und am Mittelmeer wie eben Spanien, der Türkei, Ägypten oder Griechenland sind ferne Ziele sehr gefragt: Genannt werden hier etwa Hawaii, Neuseeland, Bali, Thailand oder Australien.
Menschen haben Lust, Länder zu entdecken
„Gerade jetzt, nachdem die Auswirkungen der Corona-Pandemie etwas abgeebbt sind, sind die Leute wieder sehr reisefreudig“, sagt Tourismuskauffrau Verena Mense vom TUI-Reisecenter Wilhelmshaven.
Nicht nur hätten die Menschen wieder große Lust, neue Länder zu entdecken, gleichzeitig seien die Ängste wegen den unterschiedlichen Regelungen der Gastgeberländer zu Impfgraden, Testpflicht und anderen pandemiebedingten Einreisebestimmungen auf Null gesunken. Viele Länder haben ihre Einreisebestimmungen inzwischen wieder normalisiert.
Allerdings, so merkt Verena Mense an, habe sich der Flugverkehr nach der Pandemie noch nicht wieder voll stabilisiert. Das Angebot decke noch nicht die Nachfrage optimal ab. „Zu Spitzenzeiten der Pandemie haben die Fluggesellschaften viel Personal entlassen, diverse Linien wurden eingestellt oder reduziert“, erklärt Verena Mense. Erst im Laufe des Jahres werde sich auch diese Situation voraussichtlich wieder normalisiert haben, bei den jeweiligen Unternehmen dauere der Prozess der Neueinstellungen weiter an.
Viele wagen zum ersten Mal eine Kreuzfahrt
Aus Sicht von Sigrid Harms sei die Nachfrage allgemein zwar wieder auf einem guten Niveau, aber verglichen mit den Jahren vor der Pandemie noch leicht verhalten. „Schon im letzten Jahr wurde aber deutlich, dass die Leute froh sind, dass man wieder wortwörtlich die ganze Welt bereisen kann“, sagt Sigrid Harms.
Doch nicht nur die Fernreisen in die äußersten Ecken des europäischen Kontinents oder auf die andere Seite des Erdballs wecken die Sehnsüchte der Jadestädter. Viele verbringen ihren Urlaub inzwischen auf See.
„Wir sehen eindeutig und weiterhin, dass der Trend zu den Kreuzfahrten geht. Zu unseren Kunden zählen aktuell auch viele Erstfahrer, Menschen, die jetzt zum aller ersten Mal ihren Urlaub an Bord eines Kreuzfahrtschiffes verbringen“, erzählt Katja Weißenfels.
Ein Urlaub, ein Wechsel der Perspektive, kann den Menschen gerade inmitten großer Krisen auch gut tun. Davon ist auch Weißenfels überzeugt: „Verreisen, etwas anderes sehen, das ist auch gut für die Seele. Man sollte jedes Jahr einen Ort besuchen, an dem man vorher noch nie gewesen ist – dann kann man da noch lange von zehren“.
Die Deutschen zog es auch in den vergangenen Jahren wieder in die Ferne. Aus der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse (AWA) geht allerdings hervor: Als beliebtestes Reiseziel wurde 2022 die Ostsee genannt.
Im Sommer 2022 wurden 23?015 Menschen ab 14 Jahren und mit Hauptwohnsitz in Deutschland befragt, welche Urlaubsorte sie in den vergangenen zwölf Monaten besucht haben. Die Prozentzahlen wurden auf 70,6 Millionen Bundesbürger hochgerechnet.
So haben 8,6 Prozent der Deutschen ihren Urlaub an der Ostsee. 5,9 Prozent der Befragten besuchten Bayern, 5,7 Prozent die Nordseeküste.
Beliebtestes Auslandsziel war Italien mit 4,8 Prozent. Spanien besuchten hingegen 3,7 Prozent der Befragten.
Eine bemerkenswerte Entwicklung: Spanien war im Jahr 2020 noch das zweitbeliebteste Urlaubsziel der Bundesbürger. Damals verbrachten 9,9 Prozent der Befragten dort einen Urlaub. Die Ostsee war allerdings bereits vor zwei Jahren Spitzenreiter, mit einem Wert von 10,1 Prozent.
Die Allensbacher Befragung zeigt jedoch auch, dass die Reisefreude durch die Pandemie stark eingebrochen ist. So gaben 2020 nur 34,1 Prozent der Umfrageteilnehmer an, in vergangenen 12 Monaten keine Urlaubsreise unternommen zu haben. 2021 lag der Wert bei 42,9 Prozent. Im Folgejahr gaben 53,2 Prozent der Befragten an, in dem betreffenden Zeitraum keinen Urlaub gemacht zu haben.
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