Artikel vom 23.08.2023

Rund 200.000 freilebende Straßenkatzen sollen in Niedersachsen unterwegs sein – und es werden mehr (Symbolbild). Bild: dimitrisvetsikas1969 / Pixaby
Rund 200.000 Straßenkatzen streunen schätzungsweise durch Niedersachsen. Dass viele Hauskatzen noch nicht kastriert sind, verschärft die Situation. Die Politik will sich dieses Themas nun annehmen.
Hannover - Straßenkatzen kennen die meisten hauptsächlich aus dem Urlaub, doch auch in Niedersachsen sind die Streuner zu einem Problem geworden. Der Katzenschutzreport des Deutschen Tierschutzbundes bezeichnet das Leid der Straßenkatzen als eines der größten unbemerkten Tierschutzprobleme der vergangenen Jahre. Niedersachsenweit geht der Landestierschutzverband von mindestens 200.000 Katzen ohne menschliche Betreuung aus – Tendenz steigend.
Deutschlandweit schätzt der Deutsche Tierschutzbund die Zahl der Straßenkatzen sogar auf zwei Millionen. Genaue Daten zu erheben, sei aber kaum möglich, weil die Streuner oft an versteckten Stellen lebten und die Sterberate hoch sei.
Verein Katzenhilfe steht vor dem Kollaps
Die Menge der Tiere in diesem Jahr macht sich auch bei der ehrenamtlichen Arbeit des Vereins Katzenhilfe in Hannover bemerkbar. „Seit Jahren hatten wir nicht so eine Katzenschwemme. Wir stehen finanziell und von den Kapazitäten her absolut vor dem Kollaps“, sagt Frauke Ruhmann, die erste Vorsitzende des Vereins.
Einer der Gründe hierfür sei der unkontrollierte Freigang von Hauskatzen, die nicht kastriert seien und sich mit den freilebenden Katzen paarten, sagt der Vorsitzende des Landestierschutzverbandes Niedersachsen, Dieter Ruhnke. Jede vermehrungsfähige Katze werfe mindestens zweimal im Jahr vier bis acht Junge, welche wiederum in der Regel bereits nach einem halben Jahr wieder vermehrungsfähig seien.
Nicht kastrierte Katzen vermehren sich schleunig
„Unkastrierte Hauskatzen in menschlicher Obhut halten die Fortpflanzungskette freilebender Hauskatzen aufrecht“, erklärt Ruhnke. Die Katzenbabys landen meist in einem erbärmlichen Zustand in den Tierheimen. „Praktisch alle Kitten kommen in einem grottenschlechten Zustand zu uns“, berichtet Ruhmann von der Katzenhilfe in Hannover und bestätigt damit die Zahlen des Katzenschutzreports. Demnach sind 99 Prozent der Straßenkatzen krank und haben oft ein kurzes und sehr qualvolles Leben, während eine gesunde Hauskatze bis zu 20 Jahre alt werden kann.
Ruhmann sieht keine Besserung in Sicht: „Wir haben zwar die Kastrationsverordnung im Stadtgebiet Hannover, doch gerade in sozial schwachen Wohngebieten, wo viele nur vorübergehend eine Unterkunft haben, können sich die Menschen eine Kastration nicht leisten.“ Die Situation habe sich verschärft, seit die Bundesregierung im November 2022 eine neue Gebührenordnung für Tierärzte festgelegt hat und der Tierarztbesuch dadurch teurer ist.
Kastrationspflicht scheitert an Tierarztgebühren
Nicht nur in Hannover, sondern in fast jeder zweiten niedersächsischen Kommune besteht bereits eine Kastrationspflicht. Trotzdem lassen viele Halter ihre Katzen nicht kastrieren – vermutlich, um die Gebühren beim Tierarzt zu umgehen.
Eine Initiative der Regierungsfraktionen SPD und Grüne im Landtag soll das ändern und das Wirrwarr der kommunalen Regelung mit einer Katzenschutzverordnung des Landes vereinheitlichen. Ziel ist es, dass künftig alle Katzen, die sich draußen aufhalten, gekennzeichnet, registriert und kastriert werden müssen. Nur in Ausnahmefällen soll die Kastrationspflicht entfallen – etwa, wenn jemand möchte, dass seine Katze Junge bekommt und deren Versorgung gewährleistet ist.
Politik will finanzschwache Katzenhalter unterstützen
Eine entsprechende Aufforderung an die Landesregierung erhielt Ende Juni eine deutliche Mehrheit, neben SPD und Grünen stimmte auch die CDU dafür, die AfD enthielt sich. Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Grüne) hatte zuvor erklärt, es gehe darum, Leid und Elend bei unversorgten Katzen zu vermeiden, aber auch darum, Wildtiere wie Vögel, die am Boden brüten, zu schützen.
Für finanzschwache Katzenhalter soll es den Plänen zufolge künftig Geld vom Land geben, um die Kosten für Kennzeichnung und Kastration zu tragen. Kein Tierhalter solle seine Katze abgeben müssen, hieß es.