Aktionstag am 17. Mai könnte Durchbruch für schwule Spieler bedeuten

Artikel vom 24.04.2024

Maike Schwinum

Der FC St. Pauli zählt zu den Fußballmannschaften, die die Kampagne „Sports Free“ mit einer Spende unterstützen. Bild: Symbolbild/pexels

Die Initiative „Sports Free“ soll Homosexualität im Profifußball endlich sichtbar machen. Warum sich Spieler bisher verstecken und welche Anfeindungen sie befürchten müssen.

Im Nordwesten - Rund 1500 Fußballspieler gibt es in den drei höchsten Ligen des deutschen Männerfußballs. Doch kein einziger von ihnen ist offen homosexuell. Auch in den Regional- und Oberligen, in denen nochmal Tausende mehr spielen, gilt gleichgeschlechtliche Liebe als ein Tabuthema.

Doch es gibt sie, die schwulen Fußballer, sagt Marcus Urban, selbst ehemaliger Profi-Kicker. Er hat sich erst nach Ende seiner aktiven Karriere beim FC Rot-Weiß Erfurt im Jahr 2007 geoutet und weiß, dass etliche Spieler ihre Identität noch immer verstecken. Mit seiner Initiative „Diversero“ ruft er den 17. Mai, den internationalen Tag gegen Homofeindlichkeit, zu einem Aktionstag aus. Es soll ein Gruppen-Coming-out geben.

Ein Tabuthema

Die Aktion nennt sich „Sports Free“. Auf einer Online-Plattform können sich Spieler, aber auch Trainer, Schiedsrichter oder andere Mitarbeitende im Sport zu ihrer Sexualität bekennen. Es können Athleten und Athletinnen aller Sportarten teilnehmen, doch in der Fußballwelt wird das Thema besonders eifrig diskutiert, sagt Urban. Denn gerade im Männerfußball ist Homosexualität noch immer ein Tabuthema.

Aber warum ist das so? „Fußball ist nach wie vor eine Welt, die großenteils von männlichen Werten und Vorstellungen dominiert wird“, sagt Sportsoziologe Prof. Dr. Thomas Alkemeyer von der Universität Oldenburg. In diesem Kosmos schreibe man schwulen Männern Eigenschaften wie Kampfgeist oder Einsatz nicht zu. Spieler befürchten, durch ein Outing anders angesehen zu werden und somit ihren Status zu verlieren. Fuat Kilic, Trainer des Regionalligisten VfB Oldenburg, hält mehrere Ursachen für plausibel: „Ich glaube, es gibt einerseits die Sorge, wie ein Outing im Mannschaftskreis akzeptiert werden würde, vielmehr aber auch, zu welchen Reaktionen es in der Öffentlichkeit kommen könnte.“

Anfeindungen sind Alltag

Neben unterschwelliger Diskriminierung spielt auch die Angst vor direkten Anfeindungen eine Rolle. „Man hat Angst, von den gegnerischen Fans verhöhnt zu werden“, meint Stefan Emmerling, Trainer des Oberligisten Kickers Emden: „Nicht jeder ist stark genug, das auszuhalten. Fußballfans können gemein sein.“ Dass diese Ängste nicht unbegründet sind, weiß Emmerling aus eigener Erfahrung: Bei einem Spiel seiner Mannschaft in Delmenhorst hielten Fans der gegnerischen Mannschaft ein übergroßes Banner mit schwulenfeindlicher Rhetorik in die Höhe.

Anfeindungen können auch aus den eigenen Reihen kommen: Ex-Fußballprofi Thomas Hitzlsperger, der sich vor zehn Jahren outete, sprach kürzlich in der Sendung „Markus Lanz“ über homofeindliche Sprüche und Witze in der Kabine, die ihn vom Coming-out in seiner aktiven Karriere abhielten. Björn Lindemann, Trainer des Regionalligisten SSV Jeddeloh, kann sich vorstellen, dass die Reaktionen auf ein Outing in der Kabine gemischt wären: „Es gibt immer Arschlöcher auf der Welt, das kann man in keiner Mannschaft verhindern.“ Dulden würde er Homofeindlichkeit in seiner Mannschaft jedoch nicht.

Auch Patrick Degen vom Oberligisten VfL Oldenburg sieht sich als Trainer in der Verantwortung, einzugreifen: „Es liegt an mir, Konsequenzen zu ziehen, bei allem, was das zwischenmenschliche Verhalten betrifft – dazu zählt auch Homophobie oder Rassismus.“

Veränderung möglich

Seine Sexualität versteckt zu halten, könne auch Selbstschutz sein, meint Alkemeyer: „Die betreffenden Spieler werden schon ihre Gründe dafür haben und wissen, warum sie sich nicht outen. Das Klima und die Atmosphäre in den Vereinen scheinen sie jedenfalls auch dann nicht unbedingt dazu zu ermutigen, wenn offiziell gegen schwulenfeindliche Töne vorgegangen wird.“

Gleichzeitig zeigt er sich hoffnungsvoll, dass sich diese Atmosphäre durch Aktionen wie die von Urban ändern könnte: „Ich kann mir durchaus vorstellen, dass sich andere dadurch bestärkt fühlen und so eine Veränderung im Fußball befördert werden könnte, wie sie in anderen Bereichen schon bereits deutlicher stattgefunden hat.“

Mehr über „Sports Free“

Die Kampagne „Sports Free“ bietet Sportprofis am 17. Mai 2024 die Möglichkeit, sich öffentlich und in einer Gruppe zu outen. Anschließend soll es jeden Monat am 17. des Monats wieder möglich sein. Dafür soll eine Online-Plattform geschaffen werden, sowie eine digitale Bilderwand, auf der sich die Sportler zeigen können.

Mehrere Mannschaften der Bundesliga unterstützen die Aktion mit Spenden. Dazu zählen laut den Initiatoren bisher Borussia Dortmund, der FC St. Pauli, der VfB Stuttgart, der SC Freiburg, Union Berlin, Hannover 96 und der VfL Osnabrück.

Werder Bremen hat sich laut Sprecher Christoph Pieper gegen eine monetäre Unterstützung des Projekts entschieden, habe Marcus Urban jedoch Unterstützung für die Initiative, durch zum Beispiel Social-Media-Posts, angeboten.

Weitere Informationen zur Aktion „Sports Free“ und der Community Diversero gibt es unter www.diversero.org.


 

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