Artikel vom 18.09.2023

Nur „An- und Zugehörige des Gemeinwohlstaates Königreich Deutschlands“ sollen seine Einfahrt passieren: Ein Nordenhamer Unternehmer irritiert mit Fantasie-Klauseln im Internet. | Bild: Henning Bielefeld
Ein Nordenhamer Unternehmer hat seinen Betrieb im vom Verfassungsschutz beobachteten „Königreich Deutschland“ eröffnet. Auf seiner Website beruft er sich auf kuriose Klauseln. Was dahinter steckt.
Nordenham - „Wir weisen Sie darauf hin, dass Sie für die Dauer der Geschäftsbeziehung eine temporäre Zugehörigkeit zum Gemeinwohlstaat Königreich Deutschland (KRD) besitzen und dessen Verfassung, Gesetze und Gerichtsbarkeit nutzen“: So lautet die kuriose Klausel auf der neuen Internetseite des Nordenhamer Brennholz-Händlers „TiNo – Ein Betrieb im KRD“. Dessen Inhaber Thomas Tillis hatte bereits Mitte August angekündigt, seine Firma „Tillis KG“ zu schließen und einen neuen Betrieb mit demselben Sortiment im vom Verfassungsschutz beobachteten Fantasie-Staat „Königreich Deutschland“ zu eröffnen. Sein überarbeiteter Online-Auftritt zeigt, dass er sein Vorhaben umgesetzt hat. Muss er nun Konsequenzen befürchten?
Ungültige Klausel
Die Verbraucherzentrale Niedersachsen betont, dass trotz dieser Fantasie-Klausel im Fall einer geschäftlichen Beziehung ein regulärer Kaufvertrag mit den üblichen Gewährleistungsrechten in Deutschland bestehe. Auf Anfrage unserer Redaktion verweist eine Sprecherin auf einen Präzedenzfall vor dem Hildesheimer Landgericht.
Dort urteilte ein Richter, dass eine ähnliche Klausel, die ein Heizungsunternehmer auf seiner Rechnung nutzte, rechtswidrig sei und der Betreiber sie nicht mehr verwenden dürfe. Im Fall in Nordenham liegen laut Polizei derzeit zwar keine Rechtsverstöße vor. Man werde die Sache jedoch weiterhin genau beobachten, so Sönke Harfst, Pressesprecher der Polizeiinspektion Delmenhorst/Oldenburg-Land/Wesermarsch.
Rechtlicher Hintergrund
Das KRD wirbt im Internet damit, dass seine Unternehmer keine Steuern zahlen müssen. Außerdem seien sie von sonstigen „gemeinwohlschädlichen Bestimmungen, wie sinnlosen Bauvorlagen oder Corona-Maßnahmen“ verschont.
Trotzdem ist „TiNo“ aber nach wie vor bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Oldenburg gemeldet, bestätigt IHK-Sprecherin Leena Kramer auf Nachfrage unserer Redaktion: „Insofern hat eine solche Abmeldung aus der Bundesrepublik auch keine rechtlichen Konsequenzen“, erklärt Kramer weiter.
Empört zeigte sich Bert Freese von der Stadt Nordenham: „Das Unternehmen befindet sich im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland und innerhalb der Stadt“, so der Stadt-Sprecher. Die Stadt habe die grundsätzliche Aufgabe, auf die Einhaltung der geltenden Gesetzgebung zu achten und den Betrieb aufzufordern, sich daran zu halten. Eventuelle Verstöße würden geahndet, betont Freese. Wenn Tillis wirklich, wie auf seiner Website angekündigt, „steuerfrei“ agiert, könnte ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung drohen.
Parallelwelt im Fantasie-Staat
Betriebe wie „TiNo“ sind keine Seltenheit. Bundesweit berichten Medien immer wieder über Unternehmen, die sich dem selbsternannten König Peter Fitzek und dessen erfundenem Königreich anschließen. So berichteten der Südwestrundfunk über einen Massage-Anbieter aus Karlsruhe und die Märkische Allgemeine über eine Heilpraktikerin aus Golzow. Auch in Hessen gab es bereits eine juristische Auseinandersetzung zwischen der Verbraucherzentrale und einem KRD-Betrieb. Streitfall waren unzulässige „gesundheits- und krankheitsbezogene Aussagen“, so die Verbraucherzentrale gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Laut KRD selbst werden die Parallelstrukturen immer weiter ausgebaut. Auf der Internet-Seite werden sogar Seminare für den geplanten „legalen Systemausstieg“ und die „Betriebsgründung im KRD“ angeboten.
Ob auch Thomas Tillis an einem solchen Seminar teilgenommen hat, um sich auf seine Wiedereröffnung vorzubereiten, wollte er auf Nachfrage unserer Redaktion nicht beantworten. Für weitere Fragen verwies direkt an das Königreich Deutschland.