„Diese Behauptungen sind sehr gefährlich“

Emden - Frage: Herr Dr. Mascher, wenn ich mich gut ernähre, regelmäßig Sport treibe und mich viel an der frischen Luft aufhalte, dann bin ich auch gegen das Corona-Virus geschützt, weil ich dadurch mein Immunsystem stärke. Stimmt das?
Dr. Dirk Mascher: Sie meinen: „an apple a day keeps the doctor away“? Die Krankenkassen würden sich freuen. Nein, das klappt leider nicht. Die Beispiele an schwer erkrankten gesunden jungen Sportlern in den Skiregionen Tirols des letzten Jahres beweisen leider, dass dieser einfache Mechanismus nicht funktioniert. Ich selbst kenne auch genügend gesunde Emder Sportler, die das Coronavirus hart erwischt hat.
Es gibt natürlich auch hier einige Patienten, die diese Meinung vertreten. Denen muss ich dann leider mit genau diesen Gegenbeispielen antworten.
Ja, so kann man das möglicherweise verallgemeinern. Allerdings gibt es auch hier wiederum Ausnahmen, so dass es immer auf die individuellen Situationen ankommt.
Da unser eigenes Immunsystem alles sofort bekämpft, was es als fremd erkennt, gilt diese Feststellung auch für alle anderen Viren. Auch ein gutes Immunsystem benötigt bei Neuinfektionen zunächst einmal etwas Zeit für die Produktion von Antikörpern, man ist also nicht zwangsläufig sofort geschützt. Bei einem bekannten erneuten Virusbefall oder auch nach einer Impfung geht dieser Prozess jedoch sehr schnell, so dass wir zwar infiziert, aber nicht oder nur kaum spürbar krank werden. In der Regel stecken übrigens erfolgreich geimpfte Personen weitere Menschen nicht mehr mit diesem Virus an.
Ja, so ist es richtig und wichtig. Wir sehen das in diesem Winter deutlich am geringen Auftreten von Influenza-, -Grippe- und Norovirusinfekten. Kaum jemand ist daran erkrankt. Ich kann mir vorstellen, dass die Menschen im Herbst erneut und freiwillig zu genau diesen vorbeugenden Hygiene-Maßnahmen greifen werden.
Sollte es trotz Hygienemaßnahmen zu einem Befall mit Bakterien, Pilzen oder Viren gekommen sein – und zu einhundert Prozent schützen können ja auch diese Vorkehrungen nicht – kann ein normal funktionierendes Abwehrsystem eine ganze Menge an Mechanismen aktivieren. Dazu gehören neben der Aktivierung einer unspezifischen Immunantwort auch die Produktion spezifischer Antikörper, die Bereitstellung bestimmter Lymphozyten und weiterer weißer Blutkörperchen. Diese Kombination kann gezielt Erreger bekämpfen und wirksam vernichten, sofern es nicht durch negative Einflüsse überfordert wird, also beispielsweise durch Vorerkrankungen.
Wenn Ihr Immunsystem wirklich am Boden wäre, säßen Sie sicherlich nicht bei mir, sondern im Krankenhaus. Empfehlen kann ich Ihnen da nur die sorgfältige Suche nach Grundkrankheiten und die Auffrischung notwendiger Impfungen. Die Wirksamkeit von besonderen Diätformen oder werbewirksam bekannten Präparaten ist nirgends erwiesen.
Auch Viren versuchen ständig, ihr eigenes Überleben zu verbessern. Aber nur wenige Mutationen sind erfolgreicher als der Urtyp. Bei Covid-19 kennen wir eine britische, eine brasilianische und eine südafrikanische Variante. Alle drei sind erfolgreicher, da ansteckender, als ihre Urform. Eines Tages werden wir völlig andere und neue Mutationen haben, die die heute bekannten Coronaviren erfolgreich verdrängt haben. Dem entsprechend werden wir, ähnlich wie wir es von den Influenzaviren kennen, uns auch gegen dieses Coronavirus des Öfteren neu impfen müssen.
Diese Behauptungen sind sehr gefährlich und unzutreffend, wie die täglichen Meldungen an Verstorbenen an oder mit oder wegen Corona beweisen. Aus der eigenen Praxis kenne ich viele schwere und langfristige Verlaufsfälle, die nicht im geringsten mit einer Influenza-Infektion vergleichbar sind. Auch diese Patienten waren vorher vollkommen gesund. Covid-19 entwickelt sich mehr und mehr zu einer chronischen Erkrankung. Auch diese Erkenntnis ist neu.
Weitere interessante Artikel